»Es sind noch Patronen übrig«
Münchner Antimilitaristen erhalten Drohbrief wegen ihrer Kritik an einer kriegsverherrlichenden Gedenktafel /
Das neugotische Münchner Rathaus hat einen Glockenturm und in dessen Eingangshalle steht Geschichte geschrieben. »Den Mitgliedern der US-Streitkräfte, die München am 30. April 1945 von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreiten«, ist da an der einen Wand zu lesen. An einer anderen geht es eher um die Gründe für die Nazi-Herrschaft. »Über alles das deutsche Vaterland. Der Stadt München zur Erinnerung an den 3. Deutschen Reichskriegertag im Jahr 1929. Der deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser«. Dieser Reichskriegerbund aber habe dem Hitler-Faschismus den Weg geebnet und diese Ehrentafel sei ein Schandfleck, meinten Münchner Antimilitaristen und forderten eine Auseinandersetzung mit dem Denkmal. Tage darauf erhielten die Initiatoren eine schriftliche Morddrohung.
»Hallo ihr Vier Weltverbesserer. Mit euren ›Stahlhelm-Plakat‹ beleidigt ihr jeden Soldaten, auch die von der Bundeswehr. Eure Namen und Adressen sind gespeichert. Vom letzten Krieg sind noch vier Patronen übriggeblieben. Die Rächer«. (Fehler im Original) So lautete der Text eines Drohbriefes, der an die vier Initiatoren der Petition gerichtet war, darunter der Politkünstler Wolfram P. Kastner und Claus Schreer vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus. Mehr als 200 Bürger hatten die Petition an den Oberbürgermeister und den Stadtrat von München zu besagter Erinnerungstafel an den Reichskriegertag 1929 unterzeichnet. Darin heißt es: »Wir, die Unterzeichnenden, lehnen diese Art von Erinnerungs-Unkultur, die dem deutschen Militarismus huldigt, ab und fordern die Entfernung dieser Ehrentafel. Weder das militaristische Schauspiel Deutscher Reichskriegertag, noch der Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser, verdienen eine derartige Würdigung im Rathaus der Landeshauptstadt München.«
In der Tat war der Kriegerbund einer jener rechtskonservativen Organisationen der Weimarer Zeit, die schließlich als Steigbügelhalter für Hitler dienten. Er war der Dachverband der rund 29 000 lokalen Kriegervereine im Deutschen Reich. Laut dem »Historischen Lexikon Bayerns« leitet sich der Name des Soldatenbundes vom Kyffhäusergebirge ab, einer Erhebung im Norden Thüringens, mit der gleichnamigen Reichsburg und vor allem dem gigantischen Denkmal gleichen Namens für Kaiser Wilhelm I. Aus dem gemeinsamen Ausschuss der Krieger- und Soldatenvereine zur Verwaltung des Denkmals ging am 1. Januar 1900 der lose Zusammenschluss der deutschen Landes-Militärvereine unter der Bezeichnung »Kyffhäuserbund der Deutschen Landeskriegerverbände« hervor. Er mündete 1922 in den straffen, zentralistischen Dachverband des Reichskriegerverbands, die größte Organisation ehemaliger Soldaten in der Weimarer Republik, die sich früh zum Nationalsozialismus bekannte und ihm damit auch den Weg bereitete. Ihm gehörte als Landesgliederung auch der Bayerische Soldatenbund mit seinen 3209 Vereinen und circa 310 000 Mitgliedern (1924) an.
1933 wurde der Reichskriegerbund der SA unterstellt, 1935 in NS-Reichskriegerbund umbenannt. 1945 wurde er als Nazi-Organisation verboten, erstand aber 1952 unter dem SS-Führer General a.D. Wilhelm Reinhard wieder auf. Heute versteht sich der Kyffhäuserbund als »ein demokratischer Volksbund mit über 200-jähriger Tradition«, in dem jeder »unbescholtene Bürger, der die Ziele des Bundes anerkennt und sich zum Grundgesetz bekennt«, Mitglied werden kann. Der Kyffhäuserbund »betreibt aktive Reservistenarbeit, fördert den Sport und insbesondere das Sportschießen«.
Der 3. Deutsche Reichskriegertag, der am 20. und 21. Juli 1929 zelebriert wurde, war »ein monströses militaristisches Spektakel, das der Verherrlichung des Soldatentums und dem kollektiven Heldengedenken diente«, so die Initiatoren der Petition. Sein Programm bestand unter anderem in einer Kranzniederlegung am Heldengrab vor dem Armeemuseum (der heutigen Bayerischen Staatskanzlei) und einem Festzug durch die Ludwigstraße. An dem ab 1925 alle zwei Jahre stattfinden Reichskriegstag beteiligten sich auch Wehrverbände wie der »Stahlhelm« oder der »Bund der Frontsoldaten«.
Die Initiatoren der Petition wollen die Gedenktafel nun nicht sang- und klanglos verschwinden lassen, sondern eine öffentliche Debatte dazu anstoßen. Möglich wäre, die Tafel durch einen distanzierenden, aufklärerischen Text zu ergänzen oder sie mit anderen vaterländischen Sprüchen ins Museum zu befördern, wo es auch mehr Raum gäbe, sie jeweils mit den notwendigen historisch-kritischen Texten zu versehen. Die Tafel selbst wurde zunächst mit einem Stahlhelm-Aufkleber mit der Inschrift: »Kein Platz für Militaristen« versehen. Der Ältestenrat im Münchner Rathaus hat sich inzwischen mit der Petition beschäftigt und will sich nach der Sommerpause im September mit Möglichkeiten des Umgangs mit der Gedenktafel befassen.
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