Konzerne bezahlten Paramilitärs
Internationale Steinkohleförderer sollen Mordkommandos gegen kolumbianische Gewerkschafter unterstützt haben
»Ohne internationalen Druck wird sich bei Drummond nichts ändern. Deshalb ist die Studie das Beste, was uns passieren kann«, sagt Rubén Morrón. Der 47-jährige Techniker mit Ingenieurstitel hat bis Mai letzten Jahres bei dem US-amerikanischen Kohleförderer Drummond in Kolumbien gearbeitet. Nach einem Attentat im Sommer verließ er Kolumbien und lebt seither in Frankreich im Exil. In der Kleinstadt Chiriguaná, die zwischen den Drummond-Minen La Loma und El Descanso liegt, war Morrón Gewerkschaftsvertreter der Sintraminenergética. In der Gewerkschaft sind etwa ein Drittel der 10 000 Angestellten von Drummond in Kolumbien organisiert. Sie stehen seit jeher unter erheblichem Druck. »Hier gelten andere Gesetze. Drummond ist so etwas wie eine unabhängige Republik mitten in Kolumbien«, sagt Morrón mit bitterer Mine.
Die Studie mit dem Titel »Die dunkle Seite der Kohle« wurde von der niederländischen Nichtregierungsorganisation »Pax for Peace« auf Bitten der Betroffenen in der Kohleregion von Cesar erstellt. Marianne Moor, Kolumbienkoordinatorin der Organisation, hat mehr als drei Jahre recherchiert, um Indizien nachzugehen, Zeugenaussagen aufzunehmen und Beweise zu sammeln, die belegen, dass es direkte Verbindungen gab zwischen Paramilitärs und den beiden Kohlekonzernen Drummond Inc. aus den USA sowie Prodeco, Tochterfirma des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore. Die waren ab 1996 in der Region aktiv, und laut der Aussage eines ehemaligen Militärs, der in der Sicherheitsabteilung von Prodeco angestellt war und später bei den Paramilitärs anheuerte, war es Prodeco, die den Kontakt zu den Comandantes der Paramilitärs herstellte, um sie in die Bergbauregion zu lotsen. Die detaillierten Aussagen von José del Carmen Gelvez Albarracín alias El Canoso, der derzeit in einem Gefängnis in Bogotá einsitzt, haben bereits zu Ermittlungsverfahren gegen ein knappes Dutzend Parlamentarier geführt.
Moors Recherchen belegen nun, dass Drummond jahrelang über den Betreiber der Werkskantine die Paramilitärs mit Geld versorgte. Das haben kolumbianische Gerichte bestätigt und den Kantinenbetreiber für die Planung der Morde an drei Gewerkschaftern, die in den Drummond-Minen arbeiteten, zu 38 Jahren Haft verurteilt. Drummond hat angekündigt, gegen die Verbreitung der brisanten Studie zu klagen. Der Konzern wehrt sich seit Jahren mit allen juristischen Mitteln dagegen, Verantwortung für kriminelle Vorgänge in und um die Minen zu übernehmen. Allein im Verwaltungsdistrikt Cesar wurden der Studie zufolge zwischen 1996 und 2006 insgesamt 2600 Gewerkschafter und Minenarbeiter gezielt ermordet. 500 Menschen wurden Opfer von Massakern, 240 gelten als verschwunden. Zudem wurden rund 55 000 Menschen von den Paramilitärs aus der Region vertrieben. Davon profitierten sowohl Drummond als auch Prodeco. Beide Unternehmen fördern hier fast vierzig Millionen Tonnen Steinkohle im Jahr. Erhebliche Mengen gehen davon nach Europa, um in holländischen, britischen, dänischen und deutschen Kraftwerken verheizt zu werden. Ein lukratives Geschäft, das durch die Aussagen von neun Paramilitärs durchaus beeinträchtigt werden könnte.
Deren Glaubwürdigkeit wird vom Mutterkonzern Glencore in einem Schreiben an »Pax for Peace« in Zweifel gezogen. Die Anschuldigungen entsprächen nicht der Wahrheit, erklärt Sprecher Charles Watenphul gegenüber »nd«. Deutsche Umweltorganisationen fordern von Steinkohleimporteuren wie E.on, EnBW, Vattenfall und RWE, Mitverantwortung für die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen bei der Steinkohleförderung zu übernehmen. Das haben die Unternehmen bisher immer abgestritten, aber mit der Studie könnte sich das ändern, hofft Gewerkschafter Morrón.
Er vermutet, dass Kontakte zwischen den Konzernen und paramilitärischen Nachfolgeorganisationen wie »Los Rastrojos« immer noch bestehen. »Es ist auffällig, dass vor Tarifverhandlungen immer wieder Morddrohungen von den Paramilitärs in der Mine kursieren und Attentate verübt werden«, sagt er. Das könnte bald wieder ein Thema für die Gerichte werden. Solange die nicht gegen die Konzerne entscheiden, gilt auch für die deutschen Importeure die Unschuldsvermutung. Nicht nur von E.on wird dann auf die Better-Coal-Initiative verwiesen. Die setzt auf soziales, umweltbewusstes und ethisches Verhalten in der Kohlelieferkette. Doch wie es kontrolliert wird und wie mit den Verbrechen der Vergangenheit umgegangen werden soll, ist nicht nur Rubén Morrón unklar.
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