Olympia ist Verzweiflungstat

Fraktionschef Udo Wolf erklärt, warum die LINKE Sommerspiele 2024 oder 2028 ablehnt

  • Lesedauer: 5 Min.
Die Berliner Linksfraktion hat sich auf eine Ablehnung einer möglichen Olympiabewerbung Berlins festgelegt. Über die Pläne des Senats für Olympische Sommerspiele, den Investitionsstau sowie die Oppositionsarbeit sprachen mit dem Linksfraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, für »nd« Christin Odoj und Martin Kröger.

nd: Über die Pläne des Senats für eine mögliche Bewerbung Berlins für Olympische Sommerspiele im Jahr 2024/2028 werden immer mehr Details bekannt. Ist Berlin bereit, den Hut in die Ringe zu werfen, sozusagen?
Bevor gleich gesagt wird, die Linke wäre sportfeindlich ... (lacht)

... Sind Sie das?
Auf keinen Fall. Ich liebe Sportevents und treibe selber gerne Sport. In der Linkspartei gibt es viele Leistungssportler. Und eigentlich ist Olympia eine schöne Idee. Aber man muss sich das auch leisten können.

Die Einnahmen sprudeln, der über 60-Milliarden-Euro große Schuldenberg wird sogar abgebaut, ein bisschen finanziellen Spielraum gibt es doch wieder, nicht zuletzt dank der rigiden rot-roten Sparpolitik.
Wir haben den Haushalt in zehn Jahren Rot-Rot ziemlich mühsam in Ordnung gebracht. Jetzt ist die Finanzsituation deutlich besser, aber SPD und CDU versäumen es zu investieren. Sie fahren die Infrastruktur der Stadt ohne Not auf Verschleiß. Und wenn wir Investitionen fordern, heißt es immer: Es ist kein Geld da. Dass allein die Olympia-Bewerbung 60 Millionen Euro kostet, Olympia selbst viele Milliarden, wie Klaus Wowereit einräumte, soll jetzt keine Rolle spielen? Diese Bewerbung geschieht schlicht aus politischer Verzweiflung. SPD und CDU sind zerstritten, kündigen immer nur Programme an und lösen kein Problem. Die Niederlage beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld, der Flughafen, der nicht fertig wird - die Koalition brauchte einfach ein neues Thema, um sich noch ein weiteres Jahr zu tragen. Also versuchen sie es jetzt mit Olympia.

Der Senat hat angekündigt, es könnten die Olympischen Spiele der »Bescheidenheit« werden, nachhaltig und ökologisch. Das passt doch zum schmalen Portemonnaie.
Klaus Wowereit hat ja in der Plenardebatte nicht nur gesagt, dass Olympia richtig viel kostet. Er hat auch eingeräumt, dass wer an eine Reform des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) glaubt, sich Illusionen macht. Alle wissen, welche Art Verträge das IOC schließt. Kommt es zu einer Olympiabewerbung, dann wird doch nicht mehr gefragt, was die Stadt wirklich braucht. Dann heißt es vielmehr: Was braucht Olympia in der Stadt?

Die Diskussion zu Olympia hat doch gerade erst begonnen, ist es da nicht viel zu früh, dass Sie und ihre Fraktion sich schon als »Neinsager« festgelegt haben? Immerhin unterstützen Sie das vor kurzem neu gegründete NOlympia-Bündnis.
Die Fakten liegen ja auf dem Tisch. Und es wird bereits munter über vorhandene Sportstätten geredet. Aber die Olympiatauglichkeit einer Schwimmhalle ist für mich das nachgelagerte Problem. Wichtiger ist doch, dass überhaupt Schulschwimmen stattfinden kann. Bei den Berliner Bäderbetrieben gibt es nach unseren Recherchen aktuell einen Sanierungsstau von 90 Millionen Euro. Ähnliches gilt für Brücken und Straßen. Überdies gibt es ein riesengroßes Problem bei der Finanzierung des öffentlichen Dienstes. Hinzu kommt, dass wir wahrscheinlich 2017 wieder Ärger mit der S-Bahn-Versorgung bekommen werden, weil die neuen Wagen nicht beschafft wurden. Das sind die Probleme, die Berlin hat. Und dabei bleibt es, unabhängig davon, wie die Debatte weitergeht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann sich unsere Stadt Olympia nicht leisten.

Aber 5000 Wohnungen für bezahlbare Mieten, die im Olympischen Dorf in Tegel entstehen könnten, wären doch was Gutes?
Erst einmal brauchen wir schon jetzt Wohnungen zu bezahlbaren Mieten und nicht erst ab 2024 oder 2028. Aber auch sonst klingt das eher nach einem weiteren Schnellschuss des Senats, um ein Olympiakonzept vorzutäuschen: Tegel ist immer noch ein Flughafen, der erst dann geschlossen wird, wenn der BER eröffnet. Wann das ist, wissen wir nicht. Auch nicht, ob sich die zahlreichen Überlegungen für die Nachnutzung von Tegel als Wirtschafts- und Innovationszentrum mit einer Wohnbebauung in der Nachbarschaft vertragen.

Über die Sachkritik hinaus gibt es auch eine politische Ebene: Alle Parteien sind sich formal einig, dass es nach den Erfahrungen aus München bei der Olympia-Bewerbung einen Volksentscheid geben muss. Wann soll der aus Ihrer Sicht in Berlin stattfinden?
Instrumente wie in München und Bayern, wo die Regierung Referenden starten kann, gibt es aus guten Gründen nicht in der Berliner Verfassung. Ein Versuch des Senats, sich auf die Schnelle noch die Legitimation für eine Olympia-Bewerbung abzuholen, ist gerade bei einer Onlinebefragung zu bewundern ...

... In der geht es aber gar nicht um die grundsätzliche Bewerbungsfrage Berlins, die wird ausgeklammert.
Genau. Ob man eine Bewerbung Berlins richtig oder falsch findet, wird vom Senat nicht gefragt. Wenn man Volksbefragungen und Volksentscheide lächerlich machen will, muss man nur so weitermachen.

Das NOlympia-Bündnis könnte doch selber ein Volksbegehren starten, auch wenn dies dauert.
Für uns im Parlament müssten SPD und CDU als Koalitionsfraktionen sich endlich hinsetzen und die Fraktionen im Abgeordnetenhaus einladen, um seriös darüber zu diskutieren, wie wir die Verfassung ändern. Das kostet Zeit und braucht vor allem politischen Willen. Bisher kam mir die Koalition nicht besonders volksentscheidungsfreundlich vor. Von der CDU gibt es vielmehr erste Signale, dass eine Verfassungsänderung bei ihnen nicht direkt auf der Agenda steht.

Bis Ende August muss Berlin einen Fragenkatalog des Deutschen Olympische Sportbundes (DOSB) beantworten. Anfang Dezember erfolgt dann die Entscheidung des DOSB, ob und mit welcher Stadt, Berlin oder Hamburg, sich Deutschland bewirbt. In nicht repräsentativen Umfragen ist in Berlin eine Mehrheit gegen die Olympia-Bewerbung. Springen Sie da nicht auch einfach auf einen rollenden Zug?
Es gibt politische Fragen, die man nicht davon abhängig macht, wie sich gerade die Mehrheit dazu verhält, sondern ob man davon überzeugt ist, was richtig oder falsch ist. In Berlin gibt es eine Menge Leute, die sagen, es gibt wesentlich wichtigere Probleme als eine Olympia-Bewerbung. Hinzu kommen jene, die sagen, mit dieser Koalition wird auch die Bewerbung nichts. Insofern ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich das alles Anfang Dezember erledigt hat.

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