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Erfurt setzt auf Gas

Thüringens Landeshauptstadt wirtschaftet in Sachen Energieversorgung gegen den Trend

  • Harald Lachmann, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Vielerorts in Deutschland wird der Bau von Erdgaskraftwerken aufgeschoben oder diese werden gar stillgelegt. Die Stadtwerke der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt orientieren jedoch bewusst auf Gas.

Entgegen dem allgemeinen Trend setzen die Stadtwerke (SWE) der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt auf die Eigenproduktion von Strom und Wärme - mittels ihres Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerkes (GuD). Erst in diesem Jahr nahm der Kommunalbetrieb die mittlerweile dritte Gasturbine mit einer elektrischen Leistung von 31 Megawatt in Betrieb. Errichtet wurde darüber hinaus ein Fernwärmespeicher.

So erzeugt die Stadt dank der nunmehr 600 Gigawattstunden Strom, pro Jahr, die die gasgespeisten Turbinen generieren - bisher waren es 450 - nicht nur gut zwei Drittel des benötigten Stroms selbst. Sie wird in Sachen Fernwärme sogar völlig autark und kann über ihren Speicher zudem die Stromerzeugung vom Heizenergiebedarf der Fernwärmekunden entkoppeln. Denn bekanntlich sei die Stromnachfrage mittags und abends am höchsten, der Wärmebedarf indes morgens, erklärt Kraftwerkschef Klaus Kott.

Stromerzeugung sei nun auch ohne die nötige Wärmeabnahme im Netz möglich, berichtet SWE-Geschäftsführer Norbert Schneider zufrieden. Da sich die Gasturbinen binnen 30 Minuten hoch- oder runterfahren lassen, sieht er sie zudem als »ideale Brückentechnologie für die Energiewende«. Sie ergänzten so die alternative Energieerzeugung, die wegen der Unberechenbarkeit von Sonne und Wind teils starken Schwankungen unterworfen ist. Und zugleich, so Schneider, werde man durch jene Kraft-Wärme-Kopplung flexibler, was schwankende Preise an der Strombörse betrifft.

Satte 40 Millionen Euro hatte die Erfurter diese Investition gekostet. Neben mehr Leistung und Flexibilität steht fraglos auch eine höhere Energieeffizienz auf der Habenseite. Denn solche GuD-Kraftwerke verbinden die Wirkprinzipien eines Gasturbinenkraftwerks mit der eines Dampfkraftwerks. Die Gasturbinen dienen dabei als Wärmequelle für nachgeschaltete Abhitzekessel, die ihrerseits den Dampf für die Dampfturbine erzeugen. Das Ergebnis ist ein Wirkungsgrad bis 60 Prozent - effizienter ist kaum ein anderes konventionelles Großkraftwerk. Und doch folgt derzeit kaum ein anderes Stadtwerk diesem Beispiel. Denn die Rahmenbedingungen sind nicht eben günstig für solche Brückenlösungen. Grund sind vor allem die niedrigen Strompreise an der Europäischen Energiebörse in Leipzig - sie lassen Investitionen in moderne Gaskraftwerke und deren Betrieb momentan eher als Zuschussgeschäft erscheinen. Klar im Vorteil gegenüber Erdgas sind hier gegenwärtig die erneuerbaren Energien, die beim Einspeisen ins Netz Vorrang genießen und für die Festpreise gelten, sowie Kohlekraftwerke: Diese sind meist schon abgeschrieben und können so ihren Strom preiswerter am Markt platzieren. Andere Städte wie Leipzig oder Halle/Saale stellen deshalb den Bau bereits geplanter Gaskraftwerke zurück.

Auch bundesweit falle es Stadtwerken mit modernen Gaskraftwerken immer schwerer, Strom zu verkaufen, heißt es bei der Landesgruppe Thüringen des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU). Karel Schweng, Chef der Energiesparte der SWE, hält dennoch die Investitionsentscheidung in Erfurt für richtig, weil zukunftsweisend. Denn mittelfristig erwartet er »eine Entwicklung hin zu einem Kapazitätsmarkt« sowie zu einem sich »vernünftig« entwickelnden Stromhandel. Könne es doch energiepolitisch nicht gewollt sein, so hofft Schweng, ausgerechnet die Gaskraftwerke, die umweltfreundlich Strom und vielfach auch Wärme produzierten, aus dem Markt zu drängen.

Mithin sieht man sich in Erfurt mit dem erweiterten Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerk »bis mindestens 2030 gut aufgestellt«. Und langsam denkt man wohl auch andernorts über den Tag hinaus - etwa in Bayern. Denn um gewappnet zu sein, wenn Ende 2015 das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz geht, kündigte vor einigen Wochen die Münchener Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) den Bau eines Gaskraftwerkes an. Als Reservekraftwerk sei dies »zwingend erforderlich«, betonte sie, ohne jedoch schon zu verraten, wo der Neubau entstehen soll.

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