Irak: Präsident beauftragt Schiiten mit Regierungsbildung

Haidar al-Abadi soll Kabinett bilden / Widerstand von al-Maliki / Offener Kampf um das Amt des Regierungschefs ausgebrochen

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Konflikt um den Posten des irakischen Ministerpräsidenten spitzt sich zu. Amtsinhaber Al-Maliki lässt die Armee auffahren, seine Gegner nominieren einen schiitischen Kontrahenten für den Posten.

Bagdad. Zwei Monate nach dem Beginn des Vormarsches radikaler Islamisten ist im Irak ein offener Machtkampf um das Amt des Regierungschefs ausgebrochen. Präsident Fuad Massum beauftragte am Montag auf Vorschlag der schiitischen Parteien den Politiker Haidar al-Abadi mit der Regierungsbildung. Der Staatschef ging damit auf Konfrontation zu Ministerpräsident Nuri al-Maliki, der selbst ebenfalls Schiit ist und für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt werden will.

Al-Maliki hatte am Sonntagabend in Bagdad die Armee an strategisch wichtigen Stellen positionieren lassen. Er untermauerte damit seinen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs. Militär und andere Sicherheitskräfte fuhren auf Befehls Al-Malikis an wichtigen Straßen und Brücken auf. Panzerwagen sperrten die Zugänge zur Grünen Zone, dem stark gesicherten Regierungs- und Parlamentsviertel, wie Augenzeugen und irakische Medien berichteten.

In einer überraschenden TV-Ansprache warf Al-Maliki Präsident Massum am Sonntagabend Verfassungsbruch vor und kündigte eine Klage gegen ihn an. Das Verhalten des Staatschefs sei ein »Putsch gegen die Verfassung«, sagte Al-Maliki.

Der Schiit al-Maliki steht seit 2006 an der Spitze der Regierung und möchte für eine weitere Amtsperiode gewählt werden. Er beruft sich dabei auf die Wahlen Ende April, bei denen seine Rechtsstaats-Allianz als stärkste Kraft abgeschnitten hatte. Laut Verfassung muss der Präsident den größten Parteienblock mit der Regierungsbildung beauftragen.

Sunniten und Kurden, aber auch Schiiten verlangen jedoch Al-Malikis Rückzug. Sie geben ihm die Schuld für den Vormarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) im Norden und Westen des Iraks. Die in dem Bündnis Nationale Allianz zusammengeschlossen schiitischen Parteien schlugen Präsident Massum am Montag Al-Abadi als neuen Regierungschef vor. Sie argumentieren, größter Block sei nicht Al-Malikis Rechtsstaats-Allianz, sondern die Nationale Allianz.

Al-Abadi ist ein Parteifreund Al-Malikis. Der frühere Minister für Telekommunikation nahm den Auftrag zur Regierungsbildung an. Er hat nun 30 Tage Zeit, ein Kabinett zusammenzustellen. Offenbar geht der Riss mitten durch Al-Malikis Bündnis, da auch 38 Abgeordnete seiner Rechtsstaats-Allianz für Al-Abadi gestimmt haben. Die Rechtsstaats-Abgeordnete Hanan al-Fatlawi sagte dagegen in Bagdad, der Politiker repräsentiere das Parteienbündnis nicht. Seine Nominierung verstoße gegen das Gesetz.

Die USA rückten in dem Machtkampf weiter von Al-Maliki ab und stellten sich an die Seite von Staatschef Massum. Zugleich drang Washington auf die Bildung einer Regierung in Bagdad, die alle religiösen und gesellschaftlichen Gruppen vertritt.

Die Krise im Irak hatte sich in der vergangenen Woche zugespitzt, nachdem IS-Extremisten im Norden des Landes weitere Gebiete unter Kontrolle gebracht hatten. Die US-Armee flog am Wochenende mehrere Luftangriffe auf IS-Stellungen. US-Präsident Barack Obama hatte grünes Licht für derartige Operationen gegeben, um US-Diplomaten und vertriebene religiöse Minderheiten im Land zu schützen.

Nach Angaben der UN waren in der vergangenen Woche rund 200 000 Menschen vor der Terrorgruppe geflohen. Die meisten von ihnen sind Jesiden und Christen. In den von ihnen kontrollierten Gebieten verfolgen und töten IS-Extremisten Gegner und Andersgläubige mit rücksichtsloser Gewalt.

40 000 irakische Jesiden in Sicherheit

Rund 40 000 irakische Jesiden sind nach ihrer Massenflucht vor der Terrormiliz in das Sindschar Gebirge wieder in Sicherheit, wie der der Zentralrat der Jesiden in Deutschland mitteilte. Allerdings warteten in der Gebirgsregion westlich der Stadt Mossul noch etwa weitere 40 000 Angehörige der religiösen Minderheit auf Hilfe. Es handele sich vor allem um Alte, Kranke, Kleinkinder und Frauen, die zu schwach für die weitere Flucht seien oder ihre Angehörigen nicht verlassen wollten.

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