Der Kanal macht den Staat
Ohne die Wasserstraße wäre Panama nicht entstanden und ökonomisch unbedeutend
Aller guten Dinge sind drei: Aus den Bauplänen für eine Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik des im 16. Jahrhundert regierenden spanischen Kaisers Karl V. wurde nichts, der 1880 von den Franzosen begonnene Kanalbau endete im Desaster, als nach neun Jahren schätzungsweise 20 000 Arbeiter Malaria und Gelbfieber zum Opfer gefallen waren und die aufwendigen Arbeiten die Kanalgesellschaft in den Konkurs getrieben hatten. Erst die USA waren in der Lage, den langgehegten Traum technisch und finanziell in die Tat umzusetzen und damit ihren Status als kommende Weltmacht anzudeuten.
Wer nicht will, der wird schon. Das außenpolitische Motto der USA, das im selbst ernannten Hinterhof seit der Monroe-Doktrin (Amerika den Amerikanern) 1823 von Washington gepflegt wird, fand auch rund um den Panamakanal Anwendung. 1902 stimmte der US-Senat dem Bau eines Kanals durch die schmale Landbrücke von Panama zu. Das Baugebiet gehörte zu Kolumbien, und auch wenn die dortige Regierung Interesse am Kanalbau hatte, führten die Verhandlungen mit den USA doch zu keinem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis. Der einvernehmliche Weg zur Konzession war verbaut. Da war es praktisch, dass die USA eine unbedeutende Unabhängigkeitsbewegung in der Provinz Panama entdeckten. Washington ließ seine Kriegsflotte vor der panamaischen Küste auffahren und ermunterte die Bewegung, die Unabhängigkeit auszurufen. Die Revolte glückte, die Abspaltung Panamas von Kolumbien war perfekt. Am 3. November 1903 wurde so der Staat Panama mit militärischer Hilfe Washingtons geboren. Kolumbien wollte das Risiko eines Krieges mit der angehenden Weltmacht nicht eingehen, und schon zehn Tage später hatten die USA die gewünschten Souveränitätsrechte über die Kanalzone vertraglich gesichert.
1904 begannen die US-Amerikaner mit den Bauarbeiten. Die Baustelle zog Menschen aus der ganzen Welt an. Mindestens 35 000 Arbeiter aus der Karibik und 6000 US-Amerikaner waren zwischenzeitlich am Kanal beschäftigt, hinzu kamen Kontraktarbeiter aus Spanien und Nordeuropa. Dabei herrschte strikte Trennung zwischen den Beschäftigten. Die Weißen wurden in Gold bezahlt, erhielten eine gute Gesundheitsversorgung und durften kostenlos mit Dampfschiffen in den Heimaturlaub fahren. Die schwarzen Arbeiter wurden in Silber entlohnt, lebten in Baracken und litten häufig an Tropenkrankheiten. 5000 Arbeiter starben an Unfällen, Gelbfieber und Malaria.
Die Arbeiter hoben rund 180 Millionen Kubikmeter Erdreich aus, errichteten drei Schleusen und stauten den Gatún-See auf. Der Bau kostete 375 Millionen Dollar und war bis dato das teuerste Bauprojekt der USA. 1995 nahm der US-Ingenieursverband den Kanal in seine Liste der Weltwunder der Moderne auf.
Offiziell für den Schiffsverkehr freigegeben wurde der Kanal am 15. August 1914. Hauptprofiteur sind die USA, die einen Großteil des Güterverkehrs von ihrer Ost- zur Westküste über den Kanal abwickeln. Seit einigen Jahren wird er auch mehr und mehr von China genutzt.
Für Panama ist die Kanalzone das Rückgrat der Volkswirtschaft. General Omar Torrijos, ein panamaischer Linksnationalist, der sich 1968 an die Macht geputscht hatte, machte aus der Zone ein Steuerparadies. Dabei baute er auf das Vertrauen, das die US-Präsenz in der Kanalzone Anlegern einflößte. In Panama-Stadt siedelten sich bis zu 250 Finanzinstitute an und hüteten legales wie illegales Geld. Es war auch Torrijos, der den damaligen demokratischen US-Präsidenten Jimmy Carter 1978 dazu bewegte, der Rückgabe der Kanalzone an Panama zum 31. Dezember 1999 zuzustimmen.
In Torrijos' Fußstapfen trat Manuel Noriega, der ab 1983 zum mächtigsten Mann Panamas aufstieg und bestens mit der CIA kooperierte. Nachdem er bei der US-Administration in Ungnade gefallen war - wegen mutmaßlicher Verwicklung in den Drogenhandel und der Weigerung, den Aufenthaltsvertrag mit der berüchtigten militärischen Kaderschmiede »School of the Americas« zu verlängern -, bereitete eine US-Invasion Noriegas Regentschaft im Dezember 1989 ein Ende. Wegen der Turbulenzen gingen auch viele Finanzinstitute. Heute sind nur noch rund 90 Banken mit einer Niederlassung vor Ort. Dafür werden täglich an die 100 neue Briefkastenfirmen zur Steuerersparnis im Mutterland gegründet.
Seit die Wasserstraße 2000 an Panama übergeben wurde, legte die Wirtschaft des kleinen zentralamerikanischen Landes kräftig zu. Der Kanal bescherte ihm einen Wirtschaftsboom mit Wachstumsraten von rund neun Prozent in den vergangenen vier Jahren. Dass 40 Prozent der Menschen in Armut leben, fällt meist unter den Tisch. Rund zwei Milliarden Dollar nimmt die Verwaltung jährlich ein, die Betriebskosten belaufen sich auf etwa 600 Millionen. Vom Gewinn werden jedes Jahr 760 Millionen an den Staatshaushalt überwiesen. Das Land hängt am Tropf seines Kanals.
Für die Containerschiffe der neuesten Generation ist der Panamakanal allerdings zu klein. Per Volksabstimmung bei geringer Beteiligung wurde eine Erweiterung gebilligt. Bis zum 100. Geburtstag des Panamakanals sollte sie in trockenen Tüchern sein. Das hat nicht geklappt - 2016 gilt nun als Zielmarke. Das Jubiläum wird deswegen zwischen schweren Lastwagen, hohen Kränen und ohrenbetäubendem Baggerlärm stattfinden.
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