Ausschuss hält Kooperation von Behörden mit NSU für möglich
Thüringer Landtagsgremium erhebt schwere Vorwürfe zu Fahndungspannen und äußert Verdacht der Sabotage von Ermittlungen / Abschlussbericht soll Donnerstag vorgestellt werden
Berlin. Der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss nährt in seinem Abschlussbericht den Verdacht, dass hiesige Behörden die Flucht und das Untertauchen des rechtsextremen Terrortrios bewusst begünstigt haben könnten. »Die Häufung falscher und nicht getroffener Entscheidungen und die Nichtbeachtung einfacher Standards lassen aber auch den Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen zu«, zitiert die »Stuttgarter Zeitung« aus dem Bericht. Bei der Suche nach den mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien derart viele falsche Entscheidungen gefällt oder »einfache Standards« missachtet worden, zitiert auch die dpa aus dem Bericht. Der Abschlussbericht des Erfurter Ausschusses soll am Donnerstag offiziell präsentiert werden.
Das Dokument umfasst 1.800 Seiten und ist damit deutlich umfangreicher als der Abschlussbericht, den der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages vorgelegt hatte. Verabschiedet wurde der Thüringer Bericht einstimmig mit den Stimmen aller Landtagsfraktionen. CDU und Linkspartei haben zusätzlich ergänzende Sondervoten abgegeben.
Das mutmaßliche Terrortrio stammte aus Thüringen. Dort bildete sich auch der erste harte Unterstützerkern. Die drei mutmaßlichen NSU-Terroristen lebten 13 Jahre im Untergrund, sie sollen während dieser Zeit zehn Menschen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge verübt haben. Nach ihrem Untertauchen 1998 habe es bei der wenig später anlaufenden Fahndung derart viele Unstimmigkeiten gegeben, »dass es dem Ausschuss nicht mehr vertretbar erscheint, hier nur von «unglücklichen Umständen», «Pannen» oder «Fehlern» zu sprechen«, heißt es in dem Erfurter Bericht. Dabei beruft sich der Ausschuss auf zahlreiche Zeugenaussagen, vor allem von früheren Polizei-Ermittlern und Staatsanwälten. Eine Polizistin habe berichtet, man habe sich nicht »erklären können, warum die Gesuchten auch nach fast vierjähriger Fahndung nicht aufgreifbar waren«. Die Beamten hätten sich immer wieder »Gedanken gemacht, wie es passieren kann, dass drei Personen mit einem Mal in der Versenkung verschwinden können«.
Den früheren Chef der Geraer Staatsanwaltschaft, Arndt Koeppen, zitiert der Bericht mit der Vermutung, die Zielfahnder der Polizei seien immer wieder »verraten worden«. »Wenn die sich irgendwo angepirscht und versucht haben, jemanden festzunehmen, seien die Zielpersonen vorher offenbar gewarnt worden.« Polizeifahnder hätten sich gewundert, dass »immer, wenn man an eine Adresse komme«, an der man Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt vermutet habe, »die gerade weg gewesen« seien.
Der Ausschuss wirft den Verfassungsschutzämtern außerdem die »mittelbare Unterstützung« und »Begünstigung« rechtsextremer Strukturen vor. Beispielhaft nennt der Bericht den Gründer des rechtsextremen »Thüringischen Heimatschutzes« (THS), Tino Brandt, der als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig war. An ihn seien »neben Sachmitteln übermäßig hohe Prämien ausgereicht« worden. Ein weiteres Beispiel sei der Thüringer Sektionsleiter der inzwischen verbotenen Organisation »Blood & Honour«, der ebenfalls als V-Mann tätig war. Es sei »zu vermuten«, dass die Behörde über ihn »Einfluss auf die Aktivitäten des «Blood & Honour»-Netzwerks genommen hat«. THS und »Blood & Honour« gelten als konspirativ aufgebaute Unterstützergruppen des NSU.
Verantwortlich für das Scheitern bei der Suche nach dem NSU-Trio sei aber nicht allein der Verfassungsschutz. Eine Mitschuld treffe auch Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt. Beide hätten »eigene Erkenntnisse nicht mit Nachdruck verfolgt«. Regelrechtes Versagen wirft der Ausschuss dem Thüringer Innenministerium vor, weil zumindest bis zum Jahr 2000 dessen Fachaufsicht »faktisch nicht existiert hat«.
Nach Darstellung der Linksabgeordneten Katharina König verhöhnen Thüringer Neonazis Opfer des NSU und unterstützen gezielt in München angeklagte mutmaßliche Helfer des NSU. Zu diesem Zweck veranstalteten sie rechte Rockkonzerte oder auch Spendenaktionen, etwa im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Dort gebe es auch teilweise enge Verbindungen zwischen Neonazis und dem Rocker-Milieu, schrieb König am Freitag in einer Mitteilung. Sie beruft sich unter anderem auf Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen von ihr. dpa/nd
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