Meldepflicht für Huren kommt
Die Koalition will Sexarbeiterinnen besser schützen, doch denen ist mit den geplanten Regelungen vielleicht gar nicht gedient
Eigentlich hatten sich Sexarbeiterinnen bislang ganz gut vertreten gefühlt von der sozialdemokratischen Familienministerin. Manuela Schwesig hatte der Union ordentlich Paroli geboten, als die vor Monaten mit Vorschlägen für verschärfte Gesetze für Prostituierte in die Offensive ging. Doch seit sich die Fachpolitiker der Koalition am Donnerstagabend getroffen haben, um Streitpunkte bei der geplanten Reform beizulegen, sind sie sich nicht mehr so sicher. Hurenverbände fürchten nun, dass ihnen Errungenschaften wieder genommen werden könnten, die sie mit der 2002 von Rot-Grün beschlossenen Liberalisierung der Gesetzgebung erreicht hatten. Zum ersten Mal wurde der Beruf rechtlich anerkannt, seither gilt Prostitution in Deutschland nicht mehr als sittenwidrig. Sexarbeiterinnen erhielten eine Rechtsgrundlage, auf der sie ihr Honorar einklagen können, und Zugang zu den Sozialversicherungen. CDU und CSU waren vehement dagegen.
Zu den ersten Punkten, auf die sich die Regierungskoalition bislang geeinigt hat, gehört eine Meldepflicht für Prostituierte. Sie sollen sich künftig offiziell in den Kommunen registrieren lassen. Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen kritisiert diesen Zwang. Gegen Menschenhändler hilft das nicht, ist Verbandssprecherin Johanna Weber überzeugt, die würden die Frauen gerade anmelden, um nicht aufzufallen. Getroffen werde dagegen eine ganz andere Gruppe, prophezeit sie: alleinerziehende Frauen, die um ihr Sorgerecht fürchten, Studentinnen, die noch Karriere machen wollen, Frauen, die dieser Arbeit nur als Nebenerwerb nachgehen. Aus Angst vor einer Weitergabe der Daten würden sich viele Prostituierte nicht registrieren wollen und damit in die Illegalität gedrückt. »Solange wir nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, muss ein Doppelleben als Schutz möglich sein«, fordert Weber.
So sehr sie sich das wünschen würde, ein normaler Beruf ist Sexarbeit immer noch nicht, auch wenn schätzungsweise 400 000 Frauen und Männer in dieser Branche arbeiten, deren Dienstleistungen jeden Tag 1,2 Millionen Kunden in Anspruch nehmen. An der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Prostitution hat sich in den zwölf Jahren rechtlicher Anerkennung wenig getan. Freiwilligkeit gilt in dem Job als Ausnahme und nicht als Regel, »die es aber ist«, wie Weber betont. Die Verknüpfung mit Kriminalität ist nur schwer aus den Köpfen zu tilgen. Einen Überarbeitungsbedarf des Gesetzes, wie ihn SPD und Unionsparteien im Koalitionsvertrag vermerkt haben, sieht sie im Grunde nicht. Die Regierung will so den Schutz vor Menschenhandel und Zwangsprostitution verbessern. Das Gesetz habe das versprochene Plus an Sicherheit nicht eingelöst. Aus Sicht von Hurenverbänden haben die Probleme in der Praxis mit dem Gesetz jedoch nichts zu tun. »Hauptproblem ist die gesellschaftliche Stigmatisierung«, sagt Weber, die seit sechs Jahren als Prostituierte tätig ist. Deshalb nutzten Frauen die rechtlichen Möglichkeiten etwa zur Krankenversicherung nicht. Nicht jede Frau, auch nicht jede Migrantin, die anschaffen geht, sei Opfer sexueller Ausbeutung. Wichtig findet sie hingegen Beratungsangebote für die Beschäftigten.
Familienministerin Schwesig will vor allem eine effektivere Kontrolle von Bordellen durchsetzen: »Jede Pommesbude hat mehr Regeln als ein Bordell«, sagt die Ministerin. Deshalb soll es künftig eine Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber geben, haben die Koalitionäre am Donnerstagabend vereinbart. Zudem sollen Geschäftsmodelle wie Flatrate-Sex verboten werden. Bis zum Herbst wollen sie die strittigen Punkte geklärt haben. Dazu gehören die von der Union geforderte Heraufsetzung des Mindestalters für Prostituierte von 18 auf 21 Jahre, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen und die Bestrafung von Kunden sogenannter Zwangsprostituierter.
Diese Vorschläge lehnt Schwesig ab. Die Ministerin argumentiert, dass die Einführung der neuen Altersgrenze junge Prostituierte nicht schützt, sondern lediglich illegalisiert. Skeptisch ist sie auch bei der Strafandrohung für Freier, weil diese es häufig sind, die der Polizei Hinweise auf Zwangsprostitution geben. Das werden sie nur dann weiterhin tun, wenn ihnen keine Strafe droht. Zudem dürfte der Nachweis schwierig sein, dass Freier von einer Zwangslage wussten. Im Bundesrat ist ein entsprechender Antrag bereits gescheitert.
»Mit den Realitäten in der Sexarbeitsbranche hat die Debatte wenig zu tun«, kritisiert Johanna Weber. Ihr Verband schlägt eine Arbeitsgruppe zur Erstellung von Standards in der Branche vor, an der Sexarbeiter, Bordellbetreiber, Fachleute für Gesundheit, Arbeit und Soziales und Migrantinnenorganisationen beteiligt sein sollen. Weber rät dazu, vorsichtig zu sein, aus eigenen Moralvorstellungen Gesetze abzuleiten - etwa in Bezug auf Flatrate-Bordelle, die damit werben, dass nach dem Bezahlen eines Pauschalpreises Prostituierte den Kunden unbegrenzt zur Verfügung stehen. »Menschenunwürdig«, nennt dies Ministerin Schwesig. Doch was für viele schrecklich klingt, ist es für Betroffene möglicherweise gar nicht. »Immerhin sichert dieses Modell den Sexarbeiterinnen ein festes Gehalt zu«, sagt Weber. Ihr kann es passieren, dass an einem Tag kein einziger Kunde kommt. Dann hat sie keinen Cent verdient.
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