Linke fordert: NSU-Aufklärung fortsetzen
Renner glaubt an weitere Spitzel im Umfeld der Neonazi-Gruppe / SPD-Politikerin Marx: Brauchen große Reform der Sicherheitsbehörden / Ausschuss in Thüringen legt Abschlussbericht vor
Berlin. Mit Blick auf den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im Thüringer Landtag hat die Linkspartei im Bundestag weitere Aufklärung eingefordert. Die Innenexpertin Martina Renner sagte der »Mitteldeutschen Zeitung«, die verschiedenen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern hätten offenkundig nicht alle Akten bekommen, diverse gezielte Vernichtungsaktionen von Dokumenten seien nicht geklärt worden. »Und ich persönlich glaube auch, dass es noch weitere staatliche Spitzel im engsten Umfeld des NSU oder sogar unter den Terror-Unterstützern gibt, die den Untersuchungsausschüssen vorenthalten wurden«, sagte die Bundestagsabgeordnete, die zuvor selbst an der NSU-Aufklärungsarbeit in Thüringen mitgewirkt hatte
Renner sagte dem Blatt laut einer Vorabmeldung, es sei eine ehrliche Evaluation dessen nötig, was aus den Vorschlägen des Untersuchungsausschusses des Bundestages geworden sei. Die Linken-Politikerin kritisierte, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz »die Situation in unangemessener Weise zu Nutze gemacht« habe und »noch mehr Kompetenzen, Personal und Geld verlangt« sowie »eine gefährliche Debatte um ein Aufweichen des Trennungsgebotes« zwischen Polizei und Verfassungsschutz losgetreten hat.
Auch die Vorsitzende des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, Dorothea Marx, fordert eine generelle Reform der Sicherheitsbehörden des Landes. Der geplante Umbau des Verfassungsschutzes allein reiche nicht, sagte die SPD-Politikerin am Montag »MDR INFO«. Bei der Fahndung nach dem NSU hätten auch andere Behörden nicht richtig gehandelt. Man könne nicht allein die Schuld beim Verfassungsschutz abladen. Marx hat den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses maßgeblich mitverfasst, der am kommenden Donnerstag vorgelegt wird. In dem Papier vertritt der Ausschuss die Auffassung, bei der Suche nach den mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien derart viele falsche Entscheidungen gefällt oder »einfache Standards« missachtet worden, dass der »Verdacht gezielter Sabotage oder des bewussten Hintertreibens des Auffindens der Flüchtigen« nahe liege.
Die SPD-Politikerin bezweifelte, dass wegen der Versäumnisse heute noch jemand belangt werden könne. Die Fristen für eventuelle Dienstvergehen seien sicherlich lange abgelaufen. Trotzdem müsse auch mal jemand moralisch die Verantwortung übernehmen, sagte Marx »MDR INFO«.
Der Anwalt Mehmet Daimagüler, Vertreter der Nebenklage im Münchener NSU-Prozess, erklärte gegenüber der »Mitteldeutschen Zeitung«, der Thüringer Bericht sei »erschreckend, aber nicht überraschend und hinterlässt eine böse Ahnung, dass sich hier nur die Spitze des Eisberges darbietet«. Deshalb dürfe die Aufklärung »jetzt nicht enden. Sie muss fortgesetzt werden, auch mit einem neuen Untersuchungsausschuss in Thüringen«. dpa/nd
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