Wahlen und Gebete für Ruhe in Abchasien
Moskau diktierte den Präsidentschaftskandidaten ein Abkommen über sozialen Frieden
Abchasien steht wieder einmal vor vorgezogenen Neuwahlen eines Präsidenten. Es ist bereits das sechste Mal nach der Abspaltung der Schwarzmeerregion von Georgien 1992, dass der Posten des Staatschefs zur Disposition steht. Selten stand bisher einer der Amtsinhaber eine volle Legislaturperiode durch.
Noch seltener fanden sich die Unterlegenen mit ihrer Niederlage ab. Das wurde auch dem 2011 auf fünf Jahre gewählten Alexander Ankwab zum Verhängnis. Bei Massenprotesten Ende Mai in der Hauptstadt Suchumi forderten Zehntausende seinen Rücktritt. Daraufhin empfahl ihm mit satter Mehrheit auch das Parlament, sein Amt niederzulegen. Anschließend brachten die Volksvertreter Premier Leonid Lakardia mit einem Misstrauensvotum zu Fall. Die Opposition, die zeitweilig Regierungsgebäude besetzt hatte, warf Ankwab einen zunehmend autoritären Regierungsstil, ausufernde Korruption, Kriminalität und Massenarmut vor und forderte noch mehr Kompetenzen für die Legislative, die in Abchasien ohnehin erheblich mehr zu sagen hat als etwa in Russland.
Abchasien
Abchasien liegt im Süden des Kaukasus und grenzt an das Schwarze Meer. Hier leben etwas mehr als 240 000 Menschen. Das Gebiet hat eine Fläche von 8600 Quadratkilometern.
Abchasien war ein Fürstentum, das 1810 in das Russische Zarenreich eingegliedert wurde. Erst eine eigene Sowjetrepublik, wurde Abchasien 1931 von Stalin nur noch als Autonome Republik Georgien zugeschlagen. Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion wurde erst Georgien selbstständig, dann löste sich Abchasien von ihm.
Nach einem Truppeneinmarsch und schweren bewaffneten Zusammenstößen musste sich Georgien 1993 zurückziehen. Seit Mai 1994 gilt zwischen Abchasien und Georgien ein Waffenstillstand, der von den Vereinten Nationen vermittelt wurde. Für die Einhaltung ist eine russische Friedenstruppe von 1500 Soldaten vor Ort.
Berg-Karabach
Das Gebiet Berg-Karabach liegt im Südwesten von Aserbaidschan und hat etwa 140 000 Einwohner. Die Fläche des Gebietes beträgt 4400 Quadratkilometer.
Anfang des 19. Jahrhunderts fiel das bisherige Khanat Karabach an Russland. Bereits in den ersten Jahren der Sowjetmacht trugen die Republiken Armenien und Aserbaidschan erbitterte Kämpfe um das Gebiet aus. 1921 wurde es an Aserbaidschan angegliedert.
Bis heute gehört die nicht anerkannte Republik Berg-Karabach völkerrechtlich zu Aserbaidschan, ist aber seit einem blutigen Krieg Anfang der 1990er Jahre fast ausschließlich von Karabach-Armeniern besiedelt. 1994 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, Armenien besetzte einen Großteil des von Berg-Karabach beanspruchten Gebiets und eine Pufferzone zu Aserbaidschan. Internationale Vermittlungen scheiterten. nd
Die Situation war so ernst, dass sogar Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Berater Wladislaw Surkow zum Krisenmanagement in die Region entsandte. Der diktierte potenziellen Kandidaten ein Abkommen über sozialen Frieden, das die vier zugelassenen Bewerber Ende Juli auch unterzeichneten.
Anschließend stand ein gemeinsames Gebet mit Patriarch Wissarion in der Kathedrale von Suchumi auf dem Programm. Dieser ermahnte zu Verantwortungsbewusstsein und gegenseitigem Respekt: Abchasien müsse endlich zu Ruhe und Stabilität finden.
Die malerische Region - zu Sowjetzeiten bei Urlaubern beliebter als die Krim - hatte sich nach dem Ende der Sowjetunion von Georgien, mit dem Abchasien durch Stalin zwangsvereinigt wurde, wieder getrennt. Beide lieferten sich einen fast zwei Jahre währenden mörderischen Krieg. 40 000 ethnische Georgier wurden dabei vertrieben, blühende Städte wie Suchumi dem Erdboden gleich gemacht.
Moskau unterstützte die Separatisten und erkannte Abchasien nach dem Fünf-Tage-Krieg mit Georgien um dessen abtrünnige Provinz Südossetien im August 2008 auch diplomatisch an. De facto ist die Region seither jedoch russisches Prorektorat. Hier hat Moskau inzwischen Soldaten stationiert. Pläne, den Kriegshafen Suchumi zum Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auszubauen, ließ der Kreml jedoch schnell wieder fallen.
Denn mit drei Ausnahmen - Venezuela, Nicaragua und das Südsee-Atoll Vanuatu - unterstützt die internationale Gemeinschaft, darunter auch Moskaus Partner im Verteidigungsbündnis der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS - Georgien. Das betrachtet Südossetien wie Abchasien nach wie vor als Teil seines Staatsgebietes. Progeorgische Exilregierungen beider Regionen arbeiten in Tiflis und drängen vor allem auf eine Rückkehr der Vertriebenen.
Hinzu kommt, dass Abchasien wirtschaftlich weniger abhängig von Russland ist, einen eigenen Zugang zum Schwarzen Meer und beste Kontakte zu der wohlhabenden Diaspora in der Türkei hat. Diese zählt mehrere Hunderttausend Mitglieder.
Derzeit allerdings steht Eigenstaatlichkeit nicht auf der Tagesordnung. Auch nicht für die Präsidentschaftskandidaten: Merab Kischmarija, Leonid Dzjaschiba, Aslan Bschanija, und Raul Chadschimba. Auch unterscheiden sich ihre Programme nur in Nuancen. Begriffe wie Regierung und Opposition sind in Abchasien ohnehin nicht mehr als ein Rauchvorhang für das Machtgerangel der Clans. Ihr Uralt-Konflikt trägt ein gerüttelt Maß Schuld daran, dass die Region nicht auf die Füße kommt.
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