Chefredakteure auf dem Schleudersitz

Erneut verlässt ein Chefredakteur ein Politikmagazin: Jörg Quoos verlässt den »Focus«

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Auflagen sinken, die Verlage sind ungeduldig: Jörg Quoos wird innerhalb weniger Wochen als zweiter Chefredakteur eines deutschen Politikmagazins gefeuert. Bei »Focus«, »Stern« und »Spiegel« dominieren Personaldebatten.

Frankfurt a.M.. Stefan Aust war 14 Jahre lang Chefredakteur des »Spiegels«, Thomas Osterkorn und Andreas Petzold leiteten ebenso lange die Redaktion des »Sterns«. Und Helmut Markwort war sogar 17 Jahre Chefredakteur des von ihm mitgegründeten Magazins »Focus«. Diese Zeiten sind vorbei: Inmitten des digitalen Umbruchs agieren die Verlage nervös - und die Chefredakteure deutscher Politikmagazine sitzen auf einem Schleudersitz.

Beim »Spiegel« wackelt der Stuhl von Chefredakteur Wolfgang Büchner, weil er die Redaktion gegen sich aufgebracht hat. Der »Stern« trennte sich kürzlich von Dominik Wichmann, auf den zum 1. Oktober der bisherige »Gala«-Chefredakteur Christian Krug folgen wird. Am Dienstag hat es nun Jörg Quoos beim »Focus« getroffen: Der Chefredakteur, der erst seit Anfang 2013 im Amt war, wird ebenfalls zum 1. Oktober durch Ulrich Reitz ersetzt. Reitz war bis Juni Chefredakteur der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung«.

Der »Focus« hat in vier Jahren bereits den vierten Chefredakteurswechsel zu verkraften. Gründer Markwort gab die Leitung der Redaktion im Sommer 2010 ab. Anschließend hatte Wolfram Weimer gemeinsam mit Uli Baur die redaktionelle Verantwortung. Doch Weimer galt schon bald als zu intellektuell für das Magazin, das in den 90er Jahren vor allem mit sogenannten Nutzwertthemen wie »Die 100 besten Ärzte« Erfolg hatte. Baur übernahm daraufhin allein die Leitung, wurde aber 2013 durch Quoos ersetzt.

Der frühere »Bild«-Mann Quoos hatte im November 2013 noch angekündigt, dass er die Relevanz und das journalistische Profil des Magazins stärken wolle. Offenbar trauen die Verlagsmanager ihm dies nun nicht mehr zu und holen stattdessen einen alten Bekannten an die Spitze: Ulrich Reitz gehörte 1993 zum »Focus«-Gründungsteam um Markwort. Bis 1997 leitete er die Parlamentsredaktion, damals noch in Bonn. Reitz solle nun »das Profil des Magazins als meinungsbildende Stimme schärfen«, teilte der Verlag mit.

Im zweiten Quartal des Jahres verlor der »Focus« acht Prozent seiner Auflage und verkaufte nur noch knapp 500.000 Exemplare pro Woche. Insider befürchten, dass Reitz als Sparkommissar angeheuert wurde: Bei der Funke Mediengruppe hat er eine große Strukturreform verantwortet, in deren Verlauf in den vergangenen Jahren bei vier Tageszeitungs-Titeln in Nordrhein-Westfalen 300 Stellen abgebaut wurden.

Dominik Wichmann hatte sein Chefredakteursamt beim »Stern« im Frühjahr 2013 mit der programmatischen Aussage »Der 'Stern' glänzt nicht« angetreten. Nach Ansicht der Vorstandsvorsitzenden von Gruner + Jahr, Julia Jäkel, hat Wichmann in der Folge »mit großem Elan und viel Energie das journalistische Profil des 'Stern' gestärkt, sein Gesicht modernisiert und ihm eine neue Frische gegeben«. Dennoch wurde er Mitte August geschasst. Zu den Gründen drang wenig nach außen. Redakteure des Magazins sprachen von einem autoritären Führungsstil, zudem sank die verkaufte Auflage binnen Jahresfrist um sieben Prozent auf 757.000.

Ein problematisches Führungsverhalten wird auch »Spiegel«-Chefredakteur Wolfgang Büchner nachgesagt. Die Gesellschafter des Magazins gaben ihm am Freitag den Auftrag, die geplante bessere Verzahnung von Print und Online »in enger Zusammenarbeit« mit den Redaktionen von »Spiegel« und »Spiegel Online« vorzunehmen. »Spiegel«-Mitarbeiter sprechen von einer »Bewährung« für Büchner, der nach Informationen des Evangelischen Pressedienst (epd) bei einer Redaktionskonferenz am Montag auch Selbstkritik übte. An seinem Plan, alle Ressortleiterstellen neu auszuschreiben und künftig identische Doppelspitzen für Print und Online zu installieren, halte er jedoch fest, hieß es.

Beim »Spiegel«, dessen Auflage im zweiten Quartal mit 874.000 Exemplaren nahezu stabil blieb, kommt als Besonderheit hinzu, dass der Verlag zu 50,5 Prozent den Mitarbeitern gehört. 86 Prozent der Redakteure hatten sich in einer Petition an die Gesellschafter dagegen ausgesprochen, Büchner zum jetzigen Zeitpunkt grünes Licht für seine Pläne zu erteilen. Sie beklagten, es gebe keine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wie der Chefredakteur die geforderte Überzeugungsarbeit unter diesen Bedingungen leisten soll, bleibt einstweilen unklar. epd/nd

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