Kunststücke an der Tagebaukante
Im sächsischen Pegau ist über die Jahre ein besonderer Skulpturenpark entstanden - verteilt über die ganze Stadt
Wer durch das sächsische Pegau schlendert, fühlt sich stellenweise in einer Freiluftkunstschau. Gut zwei Dutzend steinerne oder hölzerne Plastiken prägen das Bild des Städtchens bei Leipzig. Entstanden sind sie alle auf kleinen Pleinairs, die der heimische Bildhauer Rainer Pleß alljährlich organisiert.
»Pegau hat deutschlandweit die höchste Skulpturendichte pro Einwohner, wir sind im Grunde ein Skulpturenpark im urbanen Raum«, sagt Rainer Pleß, der daran maßgeblich beteiligt ist. Denn der Bildhauer, der 2005 in das Bergbaustädtchen mit seinen gut 6000 Einwohnern zog, ist alljährlich Gastgeber eines sommerlichen Pleinairs, zu dem er stets zwei weitere Künstler einlädt. Schauplatz der jeweils zweiwöchigen Freiluftworkshops ist der Klostergarten von Pegau, ein lauschiges Fleckchen direkt an einem renaturierten Teich, an dem den Steingestaltern wohl von allein kreative Ideen kommen. Auch eine junge Chinesin war schon mal dabei.
Diesmal hatte der 62-jährige seine Bildhauerkollegen Thomas Nowacki aus dem thüringischen Berga sowie den Leipziger Rainer Jacob ins Boot geholt. Ein konkretes Thema sei dabei nie vorgegeben, jeder könne seinen Ideen freien Lauf lassen, versichert Pleß: »Vielleicht etwas, was er schon immer mal arbeiten wollte.« Einigend wäre für alle nur, dass es eine »Skulptur für Pegau« werden soll. Und das sei nicht nur so daher gesagt, betont Pleß. Denn auch die Anteilnahme der Pegauer Einwohner am schöpferischen Geschehen im Klostergarten hält er für bundesweit einmalig. Viele kämen regelmäßig schauen, wie sich da aus den Marmor- oder Sandsteinblöcken nach und nach Kunstwerke herausschälen - jeden Tag ein Stückchen mehr. »So ist es denn wirklich ihre Kunst, die sie hier Werden und Wachsen sehen«, beobachtet Pleß. Dass die ganze Stadt so dahinter stehe, gebe es wohl auch kein zweites Mal. Mehrmals im Jahr fänden bereits organisierte Skulpturenrundgänge in Pegau statt.
Thomas Nowacki, der eigentlich Holzbildhauer ist und nun das erste Mal Sandstein bearbeitete, schuf eine Mutter mit Kind auf dem Arm. Er taufte sie »Dornkronenmadonna«. Rainer Jacob nannte seine raffinierte Marmorstele »Verdreht« - eine Anspielung auf das englische »Fair Trade«, was fairer Handel bedeutet. Und Pleß sieht seine sandsteinerne »Wartende« bereits am ehemaligen Bahnhof von Pegau stehen - sofern das die Pegauer wünschten. Denn auch über die künftigen Standorte der Skulpturen im Stadtbild dürften sie Einwohner mitbefinden.
Dass die Arbeiten durchweg am Ort des Entstehens bleiben, ist übrigens nicht selbstverständlich bei solchen Künstlertreffs. Denn wer seine Arbeit nicht bezahlt bekommt, wie das bei vergleichbaren Pleinairs eher die Regel ist, nimmt sie meist mit nach Hause, um sie später zu versilbern. Doch in Pegau läuft das anders: Der Braunkohleförderer Mibrag, ein maßgeblicher Geburtshelfer auch des nunmehr achten Symposiums in der Stadt, sponserte von Beginn an dieses Kunstereignis im Revier. Und wenn Pleß sagt, die Bergleute seien »uns ein sehr netter Partner«, dann meint das nicht nur jene 5000 Euro, mit denen er das Material kaufen und die Bildhauer honorieren kann. Er als Künstler sieht eher den dauerhaften Nutzen. Denn da alle Arbeiten vor Ort verblieben, erwüchse Pegau daraus auch ein unverwechselbares Wahrzeichen, das irgendwann nicht mehr mit Geld zu bezahlen sei.
Für die Mibrag läuft dieses Engagement übrigens unter dem Stichwort »Gute Nachbarschaft«. Denn wenn eine Stadt »schon 70 Jahre an der Tagebaukante liegt - und zwar in Hauptwindrichtung«, wie es Pegaus Bürgermeister Peter Bringer umschreibt - müssen jene, die die Kohle nutzen, auch »Kohle« einsetzen, damit sie hier stets gut gelitten sind. So unterstützt die Mibrag Schulen, Feuerwehr, den Pegauer Elster Chor oder Aufforstungsprojekte. Letztes Jahre unterzeichneten Stadt und Kohleförderer sogar einen so genannten Nachbarschaftsvertrag, in dem quasi »die Gleichberechtigung von Bergbau und Nachbarorten« festgeschrieben werde, so Mibrag-Geschäftsführer Joachim Geisler.
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