Im Extremfall für die Tötung
Mediziner plädieren in einem eigenen Gesetzentwurf für das Recht Schwerkranker auf selbstbestimmten Tod
Was macht ein Mensch in diesem Land, dem wegen einer schweren Krankheit qualvolle letzte Lebenswochen bevorstehen? Springt er aus dem Fenster wie der Leipziger Schriftsteller Erich Loest oder erschießt er sich wie sein Berufskollege Wolfgang Herrndorf? Hofft er auf eine liebevolle Sterbebegleitung durch die Familie, die Freunde und ein Hospiz oder legt er sein Lebensende gegen Geld in die Hände einer Sterbehilfeorganisation im Ausland?
Die Möglichkeiten für einen selbstbestimmten Tod sind nicht zahlreich, denn aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Geht es nach dem größten Teil der CDU, deren Bundesgesundheitsminister und der Bundeskanzlerin, wird sich die restriktive Regelung der Sterbehilfe demnächst verschärfen. Angedroht sind nicht nur Strafen für Sterbehilfe gegen Bares - hier sind sich die meisten Politiker, Ärzte, Sozialverbände, Patienten noch einig - , sondern auch die Strafverfolgung für den Arzt, der einem sterbewilligen Patienten die Tablette auf den Nachttisch legt.
In München hat gestern eine Gruppe von Medizinern, Ethikern und Juristen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Ärzten die Beihilfe zur Selbsttötung unter strengen Auflagen einräumt. So sollen sie unheilbar Erkrankten mit begrenzter Lebenserwartung beistehen können und dabei straffrei bleiben. Durch das Gesetz solle Rechtssicherheit geschaffen und gleichzeitig die Freigabe einer gewerblichen Suizidbeihilfe verhindert werden, sagte Jochen Taupitz, Medizinrechtler und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates.
Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass die Freiwilligkeit des Suizidwunsches geprüft und der Patient über alle Alternativen, vor allem palliativmedizinischer Art, aufgeklärt werden muss. Außerdem muss mindestens ein zweiter Arzt hinzugezogen und eine Bedenkzeit von mindestens zehn Tagen eingehalten werden. Abgesehen von solchen Extremfällen soll Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich strafbar bleiben. Nach der Sommerpause will der Bundestag über ein neues Sterbehilfegesetz befinden, denn es existieren nicht nur unterschiedliche Auffassungen, sondern auch unterschiedliche Regeln in den Bundesländern. So hat die bayerische Ärztekammer keine Verbote beschlossen, während in anderen Länderkammern Beihilfe zur Selbsttötung für Ärzte definitiv ausgeschlossen ist. Formuliert wurde der erste Gesetzesvorschlag vom Palliativmediziner Gian Domenico Borasio, den Medizinethikern Ralf Jox und Urban Wiesing sowie dem Medizinrechtler Jochen Taupitz. »Ein Verbot der organisierten Sterbehilfe löst die Probleme nicht«, meint Urban Wiesing, sondern verschiebe und verschärfe sie. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung sei keine ärztliche Aufgabe, erklärte gestern der Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery.
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