Eine ganze Stadt kämpft für die erste Liga
Erst mit Crowdfunding sicherte SD Eibar nach dem sportlichen Aufstieg den Startplatz in Spaniens Primera División
Das kleine baskische Eibar steht Kopf. Denn der Fußballklub der Kleinstadt mit nur gut 27 000 Einwohnern hat mit der massiven Unterstützung der Bevölkerung alle Erstligahürden genommen - und nun sogar das erste Spiel der Vereinsgeschichte in der spanischen Primera División gewonnen. Im Derby gegen Real Sociedad San Sebastián - beide Städte liegen in der Provinz Gipuzkoa, die nun erstmals zwei erstklassige Klubs hat - setzte sich Eibar durch ein Tor von Javi Lara mit 1:0 durch.
Die Mannschaft setzte ihr respektloses Angriffsspiel fort, mit der ihr unter Trainer Gaizkar Garitano der Durchmarsch aus der Dritt- in die Erstklassigkeit gelang - obwohl das Ziel der vergangenen Saison allein der Klassenerhalt gewesen war. Der Gegner aus Donostia (span. San Sebastián) war am Sonntagabend eine harte Nuss, immerhin spielte Real Sociedad im vergangenen Jahr in der Champions League und hat gerade in der dritten Qualifikationsrunde für die Europa League die Schotten aus Aberdeen aus dem Wettbewerb geworfen. Verglichen mit den Anforderrungen, die der SD Eibar für die erste Liga zu erfüllen hatte, jedoch nur Peanuts.
Eibar ist die bisher kleinste Stadt, die in die Primera División aufgestiegen ist - passenderweise zum 75-jährigen Jubiläum vom SD Eibar. Aber plötzlich stand der Klub vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Trotz Schuldenfreiheit musste auch er nach neuen spanischen Gesetzen statt wie bisher 422 000 Euro nun mehr als 2,1 Millionen Euro an Kapital nachweisen, um nicht per Zwangsabstieg gleich wieder drittklassig zu werden. Da ein Verkauf an einen Investor für die Basken nicht infrage kam, wurde eine hier übliche Finanzierungsform gewählt: Die Bevölkerung wurde angepumpt - und Aktien an sie verkauft. In dieser Form wurden zum Beispiel auch schon Millionen aufgebracht, um Medienunternehmen wieder einen Neustart zu ermöglichen, die von spanischen Richtern geschlossen wurden. Eines davon war die Zeitschrift »Kale Gorria« mit Sitz in Eibar.
Und in der Stadt, die einst aus einem Berg gehauen wurde und im späten Mittelalter über die Waffenproduktion aufblühte, gab man sich erneut kämpferisch. »Verteidige Eibar, werde Aktionär«, wurde die Bevölkerung der Stadt zur Unterstützung aufgefordert, die als erste im spanischen Staat am 14. April 1931 die Zweite Republik ausrief. Gegen diese putschten fünf Jahre später die Generäle unter Franco, die dann im April 1937 einmarschierten.
Heute haben hier und in der Region die großen baskischen Kooperativen ihren Sitz. Um allen die Teilhabe zu ermöglichen, konnte jeder schon mit 50 Euro Aktionär des Klubs werden. Sechs Tage, bevor der Verkauf beendet wurde, kaufte der 90-jährige Luis María Cendoya am 15. Juli die Aktie, mit der das Ziel von 1 724 272 Millionen Euro erreicht wurde. Cendoya ist schon seit 1945 Mitglied. Insgesamt 46 200 Aktien waren zu dem Zeitpunkt von Einzelpersonen, Belegschaften, Kneipen, Geschäften gekauft worden.
Der Verkauf wurde letztlich mit der genehmigten Höchstsumme von 1 980 000 Euro abgeschlossen. Um dubiose Spekulanten abzuhalten, wurde beim Crowdfunding (Massenfinanzierung) der Teilhabebetrag für Einzelne auf 100 000 Euro begrenzt. Die Idee kam nicht nur in Eibar gut an. In 50 Ländern wurden Aktien gekauft, auch in Deutschland. »Es ist erstaunlich, dass auch Menschen aus den USA, Großbritannien oder Deutschland einsteigen, einfach weil sie von der Geschichte gehört haben und helfen wollten«, erklärt der Klubsprecher Gregorio Prieto.
Es ist nun der Klub mit dem kleinsten Stadion, dem kleinsten Budget aus der kleinsten Stadt, dessen Kapital wohl so breit gestreut ist, wie sonst nirgendwo. Mit Behelfstribünen wurde die Anzahl der Sitzplätze von 5250 auf mehr als 6000 im Stadion Ipurua erweitert. Im vergangenen Jahr gelang Eibar mit dem kleinsten Zweitligaetat der Aufstieg. Nur 3,9 Millionen wurden ausgegeben. Nun hat sich der Klub erneut den Klassenerhalt zum Ziel gesetzt - und das erste Spiel zeigte: eine Utopie ist das nicht.
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