Hoffnungsträger, Hauptstadtonkel
Tom Strohschneider über Wowereits Rücktrittsankündigung
Wenn es im Moment danach aussieht, als würden von Klaus Wowereit lediglich ein paar mehr oder weniger lustige Zitate, das BER-Debakel und eine absurde Olympiabewerbung in Erinnerung bleiben, dann hat sich das der Sozialdemokrat selbst zuzuschreiben. Wer wie er zuletzt einen Politikstil zelebrierte, der kaum daran denken ließ, dass da noch Gestaltungsanspruch und politische Vision vorhanden sind, muss sich über den Beifall zu seinem Rücktritt nicht wundern.
Das gilt zumal, weil Wowereit ja nicht als alternder und amtsmüder Hauptstadtonkel die politische Bühne betreten hat. Sondern als einer, der biografische Gründe mitbrachte, die Welt nach links zu verändern. Der den Mut zu Rot-Rot hatte, als deshalb andere in der SPD weiter in Ohnmacht fielen. Der zu Korrekturen an der Agenda-Politik rief, als dies unter Sozialdemokraten noch als Schröder-Lästerung tabuisiert wurde. Kurzum: Der als bundespolitischer Hoffnungsträger unter linken Sozialdemokraten galt.
Davon ist nicht viel geblieben. Das hat vielleicht mit Berlin weniger zu tun als mit der SPD. Aber Wowereits Amtsführung hat sich auf die Hauptstadt ausgewirkt, auf die politische Stimmung hier, auf die Veränderungslust, auf die Voraussetzungen für andere Mehrheiten. Umso mehr wird es jetzt darauf ankommen, dass bei den Berliner Sozialdemokraten die Weichen nicht so gestellt werden, dass die Anschlussfähigkeit der Hauptstadt-SPD nach links noch mehr Schaden nimmt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.