Der Gauckler redet vom Kniefall

René Heilig über die fortgesetzten Anstrengungen des Bundespräsidenten Joachim Gauck zu verbaler deutscher Aufrüstung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das blutige 20. Jahrhundert soll uns nicht vergeblich mahnen. Lernen wir aber weiter voneinander und miteinander, kommen wir weiter miteinander ins Gespräch und entwickeln wir gemeinsam eine Kultur des Vertrauens, für eine Gegenwart und eine Zukunft des Friedens und der Freiheit - in ganz Europa.« Das sagte Joachim Gauck am 3. August in Frankreich.

»Zeigen wir nicht nur in den Worten der Erinnerung und des Gedenkens, sondern auch durch unser Handeln in Gegenwart und Zukunft, dass wir unsere Lektion wirklich gelernt haben.« Das sagte Gauck am 4. August in Belgien.

Am 1. September war Gauck zum Gedenken an den Überfall Deutschlands auf Polen vor 75 Jahren eingeladen. Sein Auftritt auf der Westerplatte sollte im Gedächtnis bleiben. Nicht, weil er durch das Spalier polnischer Soldaten schritt, als würde man ihn, den nordostdeutschen Küstenprediger, zum König von Polen krönen. Nein, Gauck, der Deutschland mehr Verantwortung in der Welt zumisst, die er auch mit Waffen durchzusetzen gedenkt, bewies, dass er selbst die Lektion des vergangenen Jahrhunderts schlecht gelernt hat. Oder dass er seine Versicherungen, die er an den Gräbern im Westen von sich gab, nicht auf den Osten des geschundenen Kontinents übertragen wissen will.

Nach raschem Lob für Polens Entwicklung hin zum Westen, schoss sich Gauck auf Russland ein. Was immer Gauck familiär mit dem Land entzweit, als Präsident wäre ein Wort über das Leiden der sowjetischen Völker, über 30 Millionen Opfer notwendig gewesen. Wenn er schon keinen Dank verschwenden mochte für die Befreiungstat der Roten Armee.

»Wie irrig der Glaube, die Wahrung von Stabilität und Frieden habe endgültig Vorrang gewonnen gegenüber Machtstreben«, las Gauck vom Blatt. Es sei ein Schock gewesen, »als wir mit der Tatsache konfrontiert wurden, dass am Rande von Europa wieder eine kriegerische Auseinandersetzung geführt wird.« Am Rande Europas? Hat er wirklich vergessen, dass nach der ukrainischen Ostgrenze noch 400 Kilometer Europa liegen? Nein. Gauck grenzt ab, was ihm nicht passt, grenzt aus, was ihm unheilig erscheint, er spaltet, statt zu versöhnen. Und er steht in all seiner angemaßten politischen Reinheit da wie das Verstehen an sich. So misst er einzig Russland die Schuld daran zu, dass »Stabilität und Frieden auf unserem Kontinent wieder in Gefahr« sind. Doch das ist dem als kleinster politischer Nenner ins Amt Geschobenen nicht genug. Gauck maßt sich Kompetenzen an, die ihm nicht zustehen. Er spielt NATO-Generalsekretär, Bundeskanzler, Außenminister, Parlament in einem. Er kündigt die Partnerschaft mit Russland auf. Nicht wortwörtlich, doch deutlich und freilich so, als habe Russland diesen weitreichend bedrohlichen Akt vollzogen. Er weiß, was er da gerade in Polen Polen verspricht.

Gaucks Auftreten war nicht nur ein protokollarisches. »Gerade wir Deutsche«, so der pastorale Säusler, »werden nicht den Kniefall von Willy Brandt in Warschau vergessen, jene Demutsgeste, mit der er um Vergebung für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg bat.«

Man kann es Gauck ja nicht verwehren, dass er einen Mann von Ehre und Anstand zitiert.

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