Hauptsache beschäftigt
Bundesagentur für Arbeit änderte wieder einmal ihre Zählmethode
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt vollziehen sich derzeit zwei scheinbar gegenläufige Entwicklungen. So hat die Zahl der Langzeitarbeitslosen mit fast 1,08 Millionen Betroffenen einen neuen Höchststand erreicht. Gleichzeitig steuert die Bundesrepublik im dritten Quartal auf einen Rekord zu: Mehr als 30 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftige zählte die Bundesagentur für Arbeit (BA) jüngst. Im Mai dieses Jahres lag man noch bei 29,72 Millionen. Dieses Plus verdankt sich offenbar nicht nur der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Ein BA-Sprecher bestätigte am Donnerstag gegenüber »nd«, dass die Behörde nun auch Jugendliche als »versicherungspflichtig beschäftigt« erfasst, die ein freiwilliges soziales Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst ableisten. Zudem zählen auch Menschen in Behindertenwerkstätten und Jugendhilfeeinrichtungen neuerdings dazu. »Es handelt sich um eine ganz normale und rechtskonforme Revision der Statistik«, so der BA-Pressesprecher. Im Sozialgesetzbuch IV sei klar definiert, welche Menschen als beschäftigt gelten. »Die neuen Personengruppen, also insbesondere die behinderten Menschen in Werkstätten, erfüllen alle Kriterien versicherungspflichtiger, abhängiger Beschäftigung«, betonte der Sprecher. Doch warum erfolgt diese »Revision« erst jetzt? Die Kriterien wurden in jüngster Zeit nicht verändert.
Die BA verweist in einer Pressemitteilung vom Donnerstag auf eine »modernisierte Datenaufbereitung«, durch die »genauere Ergebnisse gewonnen werden«. Allerdings ist das nicht der alleinige Grund. In der Mitteilung heißt es auch, dass »der Personenkreis erweitert« wurde. Den Verdacht, dass man hier mit legalen Tricks, die Statistik schönt, konnte die Bundsagentur nicht ganz zerstreuen. Zumal die »Revision« einige Hunderttausend Menschen betrifft und rückwirkend bis 1999 gelten soll. Laut BA habe sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zum 30. Juni 2013 dadurch um 347 000 oder 1,2 Prozent erhöht. Aktuellere Zahlen enthält die BA-Mitteilung nicht. »Spiegel Online« zählte nun ein Plus von 400 000 Personen.
Andererseits ist die BA-Statistik zur Langzeitarbeitslosigkeit »ein wenig realistischer«, wie Sabina Bersheim von der Hochschule Koblenz meint. Weil eine Umschulung nun nicht mehr dafür sorgt, dass die Betroffenen aus der Statistik fliegen, stieg die Zahl der Langzeitarbeitslosen um rund 20 000. Auch ohne diese Nachbesserung nimmt die Zahl der Menschen, die dauerhaft ohne Job sind, seit 2012 wieder zu.
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