Mal drüber reden im Wendland

Der Besuch in Gorleben und Umgebung ist ein Pflichttermin für Bundesumweltminister, große Geschenke haben sie für Atomkraftgegner nie dabei

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundesumweltministerin Hendricks wirbt um Unterstützung für die Endlagersuche, den Gorleben-Kritikern kommt sie aber nur wenig entgegen.

Norbert Röttgen (CDU) musste sich 2009 den Weg in den Versammlungssaal durch ein Spalier aus Traktoren bahnen, er wurde mit einem Schuh beworfen und als Lügner beschimpft. Sein Nachfolger und Parteifreund Peter Altmaier kam 2013, ließ Pfiffe und Buhrufe an sich abprallen, lobte sogar die Protestbewegung, bot in Sachen Gorleben aber keine Kompromisse an. Am Donnerstag hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erstmals in ihrer Amtszeit die Region rund um Gorleben besucht. Nach kurzen Gesprächen mit Betriebsräten des Gorlebener Erkundungsbergwerks und mit Kommunalpolitikern stellte sie sich am Abend bei einer Diskussionsveranstaltung den Fragen und der Kritik von Atomkraftgegnern.

»Gorleben verfüllen, sofort!« Laute Zwischenrufe sind zu hören, als Hendricks, flankiert von zwei Bodyguards und Fachleuten ihres Ministeriums, den nicht ganz gefüllten Saal im Lüchower Gildehaus betritt. »Ehrliche Endlagersuche statt Gorleben-Lüge«, fordert ein Transparent. »Alle Atomanlagen abschalten«, steht auf einem anderen. Ein Chor aus mehrheitlich grauhaarigen Sängern bringt zur Begrüßung der Ministerin ein Ständchen, den Choral aus dem 30-jährigen Krieg haben sie umgetextet, Wendland statt Wallenstein.

Hendricks ist gekommen, um für Vertrauen in den von Regierung und Parlament in die Wege geleiteten Neustart bei der Endlagersuche zu werben. »Ich bitte Sie alle um die Unterstützung des beschlossenen Standort-Auswahlverfahrens«, sagt sie. Und: »Ich hoffe, dass es mir gelingt, Sie davon zu überzeugen, dass wir es ernst meinen«. Die Ministerin verteidigt das im vergangenen Jahr von einer großen Bundestagsmehrheit verabschiedete Standortauswahlgesetz und verweist darauf, dass die Suche nunmehr »auf einer weißen Landkarte« erfolge. Durch die politischen Entscheidungen, die Erkundung des Gorlebener Salzstocks zu stoppen, den Planfeststellungsantrag aus dem Jahr 1977 für den Bau eines Entsorgungszentrums zurückzuziehen und keine weiteren Castorbehälter ins Wendland zu bringen, sei Gorleben gegenüber anderen Standorten nicht mehr in der Favoritenrolle.

Beim Thema Castor, da muss Wolfgang Ehmke, der Anti-Atom-Veteran und langjährige Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Danneberg, doch gleich mal einhaken. Hatte Hendricks zu Jahresbeginn nicht bis Ostern eine Antwort versprochen, wohin mit den 26 noch ausstehenden Containern mit hochradioaktivem Schrott aus den ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen? Oder hatte sie, Hendricks, nur vergessen zu erwähnen, welches Ostern, also in welchem Jahr, sie meine? Hendricks kann da nicht viel entgegen setzen. »Ja, wir wollten das bis Ostern klären«, räumt sie ein. »Das ist nicht gelungen. Und ich weiß nicht, wann es gelingt.«

Andere Einwände pariert sie entschlossener, fast schroff weist sie die von Ehmke und anderen Rednern erhobene Forderung ab, die sogenannte Veränderungssperre für den Gorlebener Salzstock fallen zu lassen: »Ich beabsichtige nicht, sie aufzuheben«. Diese vor mehr als 30 Jahren erlassene Sperre untersagt für den Salzstock eine andere Nutzung als die Erkundung oder den Bau eines Endlagers. An allen anderen potenziellen Standorten können dagegen etwa durch den Bau von Kavernen, durch Öl- oder Gasbohrungen Tatsachen geschaffen werden, die eine Einlagerung radioaktiver Abfälle ausschließen oder erschweren – aus Sicht der Atomkraftgegner kommt das einer Vorfestlegung auf Gorleben gleich.

Die gebe es nicht mehr, versichert Hendricks. Für Gorleben seien nun »alle Optionen offen«. »Wenn Gorleben nicht geeignet ist, wird der Standort rausfallen. Sollte er drin bleiben, muss er sich mit anderen Standorten messen«. Sie verstehe zwar, so die Ministerin, dass viele Menschen im Wendland den Ausschluss Gorlebens aus dem Suchverfahren forderten, diese Zusage »kann ich aber nicht machen.«

Dem Suchgesetz zufolge soll im Jahr 2031 der Standort für ein Endlager benannt sein. »Der Zeitplan ist ambitioniert und erfordert die Anstrengung aller«, sagt Hendricks. Für die Genehmigung und den Bau des Endlagers seien noch einmal rund 20 Jahre zu veranschlagen, die Einlagerung selbst könne sehr wohl »bis Ende des Jahrhunderts« dauern. Dabei gesteht Hendricks offen ein, dass es ein absolut sicheres Endlager nicht geben wird. »Eine vollständige Lösung des atomaren Müllproblems gibt es nicht. Wir werden die Folgen der Atomenergie nicht restlos beseitigen können«, sagt sie.

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