Ende der Seuche ist nicht in Sicht
Wirtschaftseinbruch in Westafrika befürchtet
Es mangelt an allem, auch an Finanzmitteln. Um die Epidemie bis Mai 2015 besiegen zu können, sind nach Berechnungen der Vereinten Nationen 430 Millionen Euro nötig. »Jetzt wird vor allem Material und Schutzkleidung zur Bekämpfung der Seuche in den Krankenhäusern benötigt«, betont Albert Petersen, Leiter des Bereichs Arzneimittelhilfe des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (Difäm). »Und wir müssen das medizinische Personal dringend schulen«, fordert Petersen. Manche Kliniken seien aus Furcht schon verlassen worden. »Wenn nichts passiert, ist ein Zusammenbruch der Gesundheitssysteme in Liberia und Sierra Leone durchaus möglich«, warnte Petersen.
Die Seuche grassiert weiterhin vor allem in Liberia, Sierra Leone und Guinea. Betroffen sind aber auch Senegal und Nigeria. Doch warum kann sich das Virus so schnell ausbreiten? Schließlich hat man in anderen Ländern - vor allem in der Demokratischen Republik Kongo - schon seit Jahrzehnten gelegentliche Ebola-Ausbrüche erfolgreich eindämmen können. Nie waren dabei mehr als 500 Tote zu beklagen. In Westafrika hat man jedoch bisher keine Erfahrungen mit der Epidemie und ihrer Bekämpfung: Ebola ist in Westafrika zum ersten Mal im März 2014 diagnostiziert worden, obwohl das Virus wohl schon seit Dezember 2013 in der Region grassiert.
Frauen sind stärker von Ebola bedroht
»Weibliche« Tätigkeiten wie Pflegen, Putzen und Waschen sind mit hohem Ansteckungsrisiko behaftet. Obwohl Studien zeigen, dass ansteckende Krankheiten Frauen eher befallen als Männer, wird dieses Wissen bei der Seuchenbekämpfung nicht genutzt - auch nicht bei Ebola. Mehr
WHO macht Hoffnung: Suche nach Impf- und Heilstoffen schreitet voran
Schon im November könnten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwei Impfstoffe gegen das tödliche Virus an Testpersonen in Westafrika ausgeliefert werden. »Das ist real, das wird in den betroffenen Gebieten stattfinden«, sagte die beigeordnete WHO-Generaldirektorin Marie Paule Kieny am Freitag in Genf. Mehr
In der DR Kongo ist dagegen nicht nur die Diagnose treffsicherer. Wenn Verdachtsfälle auftreten, werden sie umgehend den zuständigen Behörden gemeldet, die dann die entsprechenden Schritte einleiten. Hinzu kommt, dass in den betroffenen Stadtvierteln und Dörfern nicht nur medizinisches Personal zur Behandlung der Patienten benötigt wird. Zusätzlich braucht es Fachleute, die die Kontakte der Erkrankten zurückverfolgen und die Betroffenen testen. Dieses Verfahren ist in Westafrika bisher unbekannt und wird zusätzlich erschwert, weil sich die Menschen recht frei in der Region bewegen können. Medizinische Teams haben es hingegen sehr viel schwerer, wenn sie eine Grenze überqueren müssen.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der die Bekämpfung von Ebola erschwert, ist das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber amtlichen Stellen und Regierungen. Während der Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone haben die Menschen gelernt, offiziellen Verlautbarungen zu misstrauen und informelle Informationsnetzwerke zu bevorzugen. Viele Menschen vermuten nun, dass die gesamte Geschichte um Ebola ein Betrug sein könne, um zum Beispiel mehr Geld von den Geberorganisationen zu bekommen. Auch gibt es Gerüchte, dass die Patienten an der Behandlung stürben statt an der neuen Krankheit. Folglich melden Familien Verdachtsfälle den Behörden erst gar nicht oder weisen die Behandlung - auch aus Angst vor möglichen Kosten - zurück. Manchmal versuchen die Angehörigen sogar, Patienten aus den Isolierstationen nach Hause zu holen.
In diesem Klima sind behördliche Schritte wie die Abriegelung des Armenviertels Westpoint in Monrovia denkbar ungeschickt. Stattdessen wird mehr direkte und aufrichtige Aufklärung über die Ansteckungsgefahr benötigt. Diese kann durchaus auch von Laien kommen. In Monrovia sind jetzt die Studenten der ohnehin geschlossenen Universität ausgeschwärmt, um die Menschen aufzuklären. Da sie ehrenamtlich arbeiten, finden sie leichter Gehör.
Mittlerweile drohen die Ernten der nächsten Saison auszufallen, weil längst nicht alle Bauern ihre Felder bestellen. Auch kurzfristig gibt es schon Engpässe bei der Nahrungsmittelversorgung. In Monrovia, der Hauptstadt Liberias, ist zum Beispiel der Preis für Maniok in den vergangenen Monaten um 150 Prozent gestiegen. Die Einrichtung von Quarantäne-Gebieten und die eingeschränkte Mobilität der Menschen hat zu Versorgungsengpässen und Panikkäufen geführt.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Seuche sind gravierend. Die meisten Fluggesellschaften haben ihre Flüge eingestellt. Nach Schätzungen der Afrikanischen Entwicklungsbank könnte die Epidemie bis zu vier Prozent des für die Region prognostizierten Wachstums kosten. Damit schrumpfen auch die Staats- und Deviseneinnahmen. Die Märkte funktionieren nicht mehr. Projekte wurden storniert und Geschäftsleute wagen sich nicht mehr in die Region. Selbst Bergbauunternehmen können ihre Planziele nicht umsetzen.
Diese Entwicklung macht Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Sorgen: »Die Ebola-Seuche hat erneut zur Stigmatisierung des ganzen Kontinentes geführt. Das ist aus unserer Sicht eine fatale Entwicklung.« Liebing betont: »Firmen, die über Erfahrungen in Afrika verfügen, wickeln ihre Geschäfte ohne größere Einschränkungen ab.« Sie schätzten das Risiko als »absolut beherrschbar« ein. Die im Afrika-Verein zusammengeschlossenen Unternehmen wünschten sich, dass auch von offizieller Seite dazu beigetragen wird, die Wogen zu glätten. »Überzogene Panik«, wie stornierte Touristenreisen in das etwa 5000 Kilometer entfernte südliche Afrika, beeinträchtige alle Regionen des Kontinents. Auch für Albert Petersen hat die Wiederaufnahme des regulären Flugbetriebs Vorrang: »Derzeit ist sehr schwierig und sehr teuer, die dringend benötigten Ausrüstungen nach Westafrika transportieren zu lassen.«
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