Streit um Kurdengebiete gefährdet Regierungsbildung im Irak
Anhaltende Kämpfe im Irak fordern mehrere Tote/ Obama will Mittwoch Plan gegen IS-Miliz vorstellen
Bagdad. Inmitten heftiger Kämpfe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verhindert ein Streit um die Gebiete im Nordirak die Regierungsbildung in Bagdad. Kurdische Abgeordnete forderten im irakischen Parlament territoriale Zugeständnisse ein, berichtete die kurdische Nachrichtenseite Rudaw. Erst dann würden sie die Regierungsbildung des designierten Ministerpräsidenten Haider al-Abadi unterstützen. Ursprünglich wollte Al-Abadi am Montag im Parlament sein neues Kabinett vorstellen.
Uneinigkeit besteht laut Rudaw über die Provinzen Kirkuk, Ninive und Dijala. Historisch gehören sie zum kurdischen Stammesgebiet, verwaltet werden sie jedoch aus Bagdad. Alle drei Provinzen grenzen an die kurdische Autonomieregion im Norden des Irak. Nun fordern kurdische Politiker, die drei Provinzen in die Autonomieregion einzugliedern. Kurdische Peschmerga-Soldaten hatten in den letzten Wochen die Provinzen gegen Angriffe des IS verteidigt, nachdem irakische Truppen geflohen waren.
Für diesen Mittwoch kündigte US-Präsident Barack Obama eine Rede zur Strategie im Kampf gegen IS an. »Ich will, dass die Bevölkerung versteht, was die Bedrohung ist und was wir dagegen tun werden«, sagte er in einem Interview des Senders NBC News. Er werde in seiner Ansprache auch klar machen, »was wir nicht tun werden«, fuhr der Präsident fort. US-Kommentatoren werteten die geplante Rede am Vortag des 13. Jahrestages des Anschlags auf das New Yorker World Trade Center als möglichen Hinweis darauf, dass sich Obama einer Entscheidung darüber nähert, ob er die Luftangriffe gegen die IS-Miliz vom Irak auf Syrien ausweitet.
Nach Angaben von Rudaw hatten sich irakische Abgeordnete bereits am Samstag im Parlament über die Territorialfrage zerstritten. Kurdische Abgeordnete wollen von Al-Abadi ein Zugeständnis, die Frage binnen eines Jahres zu klären. Am Montag konnte Al-Abadi daraufhin zunächst nicht über sein Kabinett abstimmen lassen. Er hat noch bis Mittwoch Zeit zur Regierungsbildung.
Unter dem Eindruck des Blutvergießens in Syrien und im Irak warf der neue UN-Hochkommissar für Menschenrechte der internationalen Gemeinschaft vor, zu wenig gegen den IS zu tun. Bei der Eröffnung der Herbstsitzung des UN-Menschenrechtsrates forderte Prinz Said Raad al-Hussein in Genf entschlossene Maßnahmen, um die bewaffneten Konflikte in diesen Ländern zu beenden. Die Staatengemeinschaft müsse zudem dafür sorgen, dass Verantwortliche für Kriegsverbrechen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Im Irak gingen die Kämpfe gegen IS-Extremisten weiter. Nach Angaben der irakischen Nachrichtenagentur Nina wurden bei einem Luftangriff auf die westirakische Stadt Falludscha 45 IS-Kämpfer getötet. Bei der nahe Mossul im Norden gelegenen Stadt Tel Afar seien 16 Dschihadisten getötet worden. Zuvor hatte die US-Luftwaffe auf Bitten der irakischen Regierung IS-Stellungen nahe des Haditha-Damms im Westen des Landes angegriffen. Mindestens 60 IS-Kämpfer seien dabei am Wochenende getötet worden, sagte ein Politiker dem irakischen Staatsfernsehen.
Bei einem dem IS zugerechneten Selbstmordanschlag nördlich von Bagdad wurden am Montag mindestens 19 Menschen getötet. Sieben weitere Menschen seien verletzt worden, berichtete die irakische Nachrichtenseite Al-Mada unter Berufung auf örtliche Sicherheitsbeamte. Der Anschlag ereignete sich in der rund 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad gelegenen Ortschaft Duluaija. Nach Angaben von Al-Mada Press war ein »Hummer«-Fahrzeug in die Luft gesprengt worden.
In Syrien hatte am Wochenende die Luftwaffe des Assad-Regimes die Städte Al-Rakka und Dair as-Saur angegriffen, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Al-Rakka gilt als Hochburg der Extremisten. In unmittelbarer Nähe hatten IS-Kämpfer vor zwei Wochen den wichtigen Militärflughafen Al-Tabka erobert. Er war die letzte Bastion des Assad-Regimes in der Provinz Al-Rakka. dpa/nd
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