Fast 35 Milliarden reichen
Konflikt: NATO weist zusätzliche Aufgaben zu - von der Leyen hält größeren Etat für unnötig
Ursula von der Leyen hatte bereits tags zuvor Disziplin bewiesen. Die Verteidigungsministerin ließ im ARD-Interview keinerlei Geldgier erkennen. Obwohl doch die NATO auf ihrem Gipfel in der vergangenen Woche eine noch schnellere Schnelle Eingreiftruppe sowie mehr militärische Präsenz in Osteuropa beschlossen hat. Dazu wurde Deutschland von den USA zum Kernteam der Willigen befohlen, das den Kampf gegen den Islamischen Staat anführen soll.
»Man muss das Ganze mit Maß tun«, lautet von der Leyens Devise. Schon seit Wochen steht die Unionsministerin in der Kritik, weil sie - wie untypisch für einen Befehlshaber im Bendler-Block - nicht die Hand aufhält. Angebliche Parteifreunde drängen sie, sogenannte Leitmedien schieben sie. Von der Leyen sagt: »Die Bundeswehr ist gut aufgestellt. Sie ist einsatzbereit. Sie ist auch fähig, Landes- und Bündnisverteidigung wahrzunehmen.« Und das ist bekanntlich mehr, als das Grundgesetz verlangt. 1,3 Prozent des Bruttosozialprodukts investiert Deutschland in Verteidigungsausgaben. Unlängst noch hätte man gesagt, die Regierung gibt 35 Milliarden Euro fürs Militär aus. Das Verb »investieren« dagegen ist bewusst gewählt. Auch andere NATO-Staaten, allen voran die USA, benutzen es seit kurzem. Es beinhaltet mehr als die »Truppenversorgung«, es suggeriert qualitativen Zuwachs und hilft so die Frage nach den zwei Prozent zu umgehen, die jedes Land laut - gar nicht so strenger - NATO-Verabredung von seinem Bruttosozialprodukt für den Verteidigungssektor abzweigen soll. Deutschlands Bruttosozialprodukt betrug im vergangenen Jahr 2,735 Billionen Euro.
»Wir sind eine große, ökonomisch starke Nation«, sagt von der Leyen und verweist darauf, dass Deutschland »fast 35 Milliarden pro Jahr für all das investiert, was auch der NATO zur Verfügung steht«. Damit sei das Land der zweitgrößte Netto-Zahler im Bündnis.
Im Vergleich zum Vorjahr sind die jetzt zur ersten Lesung vorliegenden Ausgaben des Einzelplanes 14 um 174 Millionen Euro geringer. Das ist vor allem den um 460 Millionen Euro geringeren Aufwendungen für Auslandseinsätze geschuldet. Am Monatsende werden nur noch 800 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan sein.
Auch die Personal- und Verwaltungsaufgaben sinken. Sie machen dennoch rund 66 Prozent der Gesamtausgaben aus. Seltsamerweise ist das nicht der Bundeswehrreform, sondern auch dem geringeren Engagement im Ausland zu danken.
4,277 Milliarden Euro gehen in die Beschaffung, 2,477 Milliarden gibt man für Materialerhaltung aus. Rechnet man ein, wie viel Material die Bundeswehr abgestoßen hat, so ist diese leicht gesteigerte Summe ein solides Pfund.
Von der Leyen predigt den effektiven Einsatz der Mittel. Sie will das Knäuel aus ministeriellen Beschaffern und der Wehrindustrie aufbrechen. Die Prüfung der wichtigsten Rüstungsprojekte hat sie externem Sachverstand anvertraut. Die Analyseergebnisse der Wirtschaftsprüfer sollen im Oktober vorliegen. Sie würde gerne Geld investieren für große Waffensysteme, »wenn dann auch die Industrie liefert«. Sie beharrt auf der Reihenfolge: »Erst das Produkt, dann die Bezahlung.«
Das mag der Industrie nicht gefallen, das mag Ministerielle verärgern. Dass sie sowie Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) - offenbar kanzlergestützt - hinhaltend alles vermeiden wollen, was zu einem neuen Kalten Krieg in Europa führt, ruft in der wieder stärker US-dominierten NATO Argwohn hervor. Denn da ist Einstimmigkeit Grundprinzip.
»Frau von der Leyen ist nicht plötzlich die Taube unter Falken«, schränkt Michael Leutert, Haushaltsexperte der Linksfraktion ein. Er fragt nach der Ausrichtung der Bundeswehr und den Zielen, die Deutschland mit Militär in der Welt erreichen will. Dabei spiele »das Völkerrecht kaum eine Rolle«. Wichtig sei, dass »die UNO endlich wieder in die Lage versetzt wird, ihre Aufgaben, insbesondere bei der Konfliktregulierung, zu erfüllen«.
So gesehen muss es besorgt machen, dass die Ausgaben des Auswärtigen Amtes und des Ministeriums für Entwicklungshilfe für humanitäre und Flüchtlingshilfe um insgesamt 128 Millionen Euro sinken sollen. Doch der Fetisch der »soliden Haushaltspolitik« heißt nun einmal »schwarze Null«.
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