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Urteil bringt Austrian Airlines in Turbulenzen

Europäischer Gerichtshof hält Lufthansas Kündigung des Kollektivvertrags für das Personal für unberechtigt

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugunsten von Piloten und Flugbegleitern setzt das Airline-Management unter Druck. Es werden Nachzahlungen von mehreren Millionen Euro erwartet.

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hatte es vor Wochen angedeutet, am Donnerstag folgte das Gericht seiner Rechtsauffassung: Die Lufthansa war im Jahr 2012 nicht berechtigt, den Kollektivvertrag des Personals der Tochtergesellschaft Austrian Airlines (AUA) einseitig zu kündigen.

Im Frühling 2012 hatte das Management der AUA unter dem Druck der Lufthansa, die zweieinhalb Jahre zuvor die bis dahin staatliche österreichische Fluglinie übernommen hatte, sämtlichem fliegenden Personal den Kollektivvertrag gekündigt. Die Maßnahme erfolgte einseitig und ohne Absprache mit Gewerkschaft oder Belegschaftsvertretern. Sie betraf circa 600 Piloten und 2000 Flugbegleiter. Zugleich wurden die betroffenen Angestellten nach dem Muster der AUA-Tochter »Tyrolean« entlohnt. Nach dortigem Kollektivvertrag verdienten sie von einem Tag auf den anderen 25 Prozent weniger, der Konzern kalkulierte mit entsprechenden Einsparungen.

Der Vorgang schien einfach und billig. Der seither auf jedes über die AUA gebuchte Ticket gedruckte Hinweis »Operated by Tyrolean« war ihnen rechtliche Absicherung genug. Dass die Kündigung nicht gesetzeskonform war, konnte man zwar bereits damals wissen, Aufsichtsrat und Management hofften aber auf für die Rendite der Aktionäre bessere, arbeiterfeindlichere Zeiten. Der EuGH machte dieser Kalkulation nun einen Strich durch die Rechnung.

Das Bordpersonal unter Führung von Betriebsratschef Karl Minhart zog zusammen mit der Gewerkschaft vor den Kadi. Sie taten es nicht nur für ihre unmittelbaren Interessen als gut bezahlte AUA-MitarbeiterInnen, sondern zugleich für die Grundfesten des österreichischen Arbeitsrechts. Denn sobald es einem Unternehmen ermöglicht wird, ohne Vorwarnung und Absprachen eine einseitige Kündigung des Personals auszusprechen und ihnen deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen nach dem Vorbild eines anderen Betriebs im selben Konzern aufzuzwingen, werden Kollektivvertragsverhandlungen zur Farce. Genau dieser Punkt war auch Gegenstand der Klage, die zum EuGH-Spruch geführt hat. Dieser stellte fest, dass der alte, für AUA und Lufthansa wesentlich teurere Kollektivvertrag so lange nachwirkt, bis ein neuer ausverhandelt wurde. Das Modell »Tyrolean« ist somit nichtig.

Für die AUA und ihre Konzernmutter Lufthansa war die Abschiebung des Flugpersonals zur kostensparenden »Tyrolean« ein entscheidender Punkt im konzernübergreifenden Sparpaket. Der nun vom EuGH gekippte arbeitsrechtliche Trick galt als integraler Bestandteil der harten Sanierungsmaßnahmen. Eine Nachzahlung in der vermuteten Höhe von 100 Millionen Euro ist existenzbedrohend. Aber AUA-Sprecher Peter Thier versuchte, zu beruhigen. »Konkurs ist kein Thema«, lautete seine Ansage. Erfahrende Beobachter schließen aus solchen Bemerkungen die Möglichkeit des Gegenteils.

Das AUA- und mit ihm das Lufthansa-Management setzen nun auf den Obersten Gerichtshof in Österreich, der die allerletzte Instanz in diesem Arbeitskampf ist. Sein Spruch lehnt sich üblicherweise an den EuGH an, weshalb es demnächst zu Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung kommen könnte. Solche hätten bereits 2012 stattfinden müssen. Jetzt hält Bordbetriebsratschef Minhart mit dem EuGH-Urteil gute Karten in der Hand.

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