Vorwurf Abzocke - der Beitragsstreit geht weiter
Altanschließer
Fast 25 Jahre nach dem Mauerfall gibt es in Brandenburg weiter großen Streit um Wasseranschlüsse aus DDR-Zeiten. Allein gegen die Beitragsbescheide des MAWV, Brandenburgs größtem Abwasser- und Wasserzweckverband, laufen über 660 Widerspruchsverfahren. Prozesse gibt es auch gegen andere kommunale Verbände.
Hintergrund sind die Pflichtbeiträge von Grundstücksbesitzern für ihre Wasser- und Abwasseranschlüsse. Verbände wie der MAWV fordern diese nicht nur bei Neubauten, sondern nachträglich auch von Bürgern, deren Grundstücke schon vor vielen Jahren - oft noch in der DDR - einen Wasseranschluss bekamen.
Diese sogenannten Altanschließer hätten ihre Beiträge längst über die jährlichen Gebühren bezahlt, kritisierte der Vizepräsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), Eckhart Beleites. Der VDGN wirft dem Zweckverband Abzocke vor. 23 000 Beitragsbescheide von meist über 1000 Euro habe der Wasserverband in den vergangenen Jahren verschickt. »95 Prozent der Leute haben das Gefühl: Hier stimmt etwas nicht, die Beiträge sind viel zu hoch«, sagte Beleites. Der VDGN fordert die Rückzahlung von »mindestens 30 Millionen Euro« an die MAWV-Beitragszahler.
Kommunale Verbände stützen sich hingegen auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom November 2013. Danach dürfen Kommunen auch von Altanschließern Beiträge für den Abwasseranschluss erheben. Eigentümer, deren Grundstücke zu DDR-Zeiten an die Kanalisation angeschlossen waren, müssten sich an Investitionen in die Wasserversorgung nach der Wende beteiligen.
Allerdings gibt es eine Verjährungsfrist. Nach einer Reform des märkischen Kommunalabgabengesetzes von 2013 enden Verjährungsfristen zur Erhebung von Kommunalabgaben künftig nach 15 Jahren. Stichtag ist wegen der schwierigen Rechtslage nach der Vereinigung der 4. Oktober 2000. Ende 2015 könnten somit die letzten Beitragsbescheide an sogenannte Wasser-Altanschließer verschickt werden. Im Zusammenhang mit dem bayerischen Kommunalabgabengesetz entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Forderungen nicht zeitlich unbegrenzt gestellt werden dürfen.
Rechtliche Klarheit scheint es trotzdem nicht zu geben. Am Verwaltungsgericht Cottbus begannen noch im August mehrere neue Prozesse, in denen sich die Kläger gegen rechtswidrige Bescheide wenden.
MAWV-Verbandsvorsteher Peter Sczepanski verwies darauf, dass der Verband zu 100 Prozent in kommunaler Hand sei. »Wir machen keine Gewinne.« Gebe es Mehreinnahmen, würden im Gegenzug die Gebühren gesenkt.
Dennoch ist das Misstrauen vieler Bürger groß: In Bernau (Barnim) wurde Bürgermeister Hubert Handke (CDU) im Frühjahr per Volksentscheid abgewählt. Vorwurf: Er habe sich im Streit um Wassergebühren nicht ausreichend für die Belange aller Bürger eingesetzt. dpa/nd
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