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Höhen und Tiefen
Theodor Bergmann stellt seine Familie vor
Man sieht ihm sein Alter nicht an. Der 98-jährige Agrarwissenschaftler und Professor im Unruhestand ist so agil und aktiv, dass er wesentliche jüngere Zeitgenossen beschämt. Kaum ein Jahr vergeht, in dem nicht aus der Feder des profunden Historikers der Arbeiterbewegung und politischen Publizisten ein Buch erscheint. Jetzt aber wird er privat. Theodor Bergmann erinnert an die 22 Mitglieder seiner Familie, die mehr durch Tiefen als in die Höhen des 20. Jahrhunderts getragen wurden. Und die doch stets versuchten, die gesellschaftliche Entwicklung mitzugestalten, sei es als Zionisten, Sozialisten oder Kommunisten. Der Kreis der Porträtierten reicht von den Eltern Julius Yehuda Bergmann, einem Berliner Reformrabbiner, und seiner Frau Hedwig geborene Rosenzweig, seiner Frau Gretel, seinen fünf Brüdern und zwei Schwestern bis hin zu Cousins und Cousinen. Der Großteil der Familie kam ursprünglich aus der nördlichen Slowakei; Deutsch war ihre Kultur-, doch niemals die einzige Sprache, die sie beherrschten.
Viele Verwandte wurden Opfer der Nazibarbarei, andere konnten mit Glück und dank der Solidarität ihrer Mitmenschen überleben, wohl auch, weil sie die Menetekel der Zeit früher erkannten als andere: Bereits 1933 emigrierte Theo Bergmann. Sein Bruder Alfred wurde als aktiver Antifaschist von Schweizer Behörden 1940 an Nazideutschland ausgeliefert und sofort ermordet. Dessen Schweizer Braut Klara Schmalz, hier ebenfalls porträtiert, unterstützte Theo Bergmann in dessen Bemühen, die Verantwortlichen für den Mord zu ermitteln. Bestraft wurde keiner.
Die meisten der Geschwister überlebten in Palästina, drei von ihnen nahmen wichtige Funktionen nach der Gründung des Staates Israel wahr: Der Rechtsanwalt Arthur Aharon arbeitete an der Israel-Mission in Köln, dem Vorläufer der Botschaft, Felix Eliezer, von Beruf Pharmakologe, wurde Vizepräsident der Hebräischen Universität Jerusalem, Ernst David war Direktor der israelischen Atomenergie-Behörde; der weltweit renommierte Physiker gilt als »Vater« der israelischen Atombombe. Was Theo Bergmann über seine Cousine Chava (ursprünglich Eva) Cohen, geborene Rosenzweig, schreibt, gilt für fast alle seiner israelischen Verwandten: »Chava war Zionistin, stand der Linken nahe. Sie war nicht religiös und wünschte einen laizistischen Staat. Sie war kritisch gegen die nationalistische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten nach dem Sieg im Sechstagekrieg 1967 eingestellt, denn sie hielt diese für eine Gefahr für ihren Staat.«
Andere Verwandte lebten nach ihrer Rückkehr aus dem Exil, vornehmlichen dem britischen, in der ČSSR. Manche wurden 1953 in die antisemitischen Machenschaften im Gefolge des Slánský-Prozesses hineingezogen. Sofern sie Kommunisten blieben, endete ihre politische Arbeit nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Sie verloren ihre Arbeitsplätze und verbrachten ihre letzten Lebensjahre in gesellschaftlicher Isolierung.
Auch über sein Leben legt Theo Bergmann hier kurz Rechenschaft ab. Es wird klar, dass er sein persönliches Glück vor allem seiner Frau Gretel verdankt, die ihn beruflich und politisch unterstützte. Sie war, wie er selbst, schon als Jugendliche Mitglied der KPD-Opposition. Ihre letzten Jahre waren von schwerer Krankheit überschattet. Theodor Bergmann pflegte sie aufopferungsvoll. Er schreibt darüber nicht, doch es verdient ergänzt zu werden, dass sie auch verstand, den manchmal zu arbeitsamen Theo auf die schönen Dinge des Lebens zu lenken.
Theodor Bergmann: Sozialisten-Zionisten-Kommunisten. Die Familie Bergmann-Rosenzweig - eine kämpferische Generation im 20. Jahrhundert. VSA-Verlag, Hamburg. 102 S., geb., 12,80 €.
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