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Kretschmann brüskiert Grüne

Im Bundesrat blieb es beim Thema Asyl beim Fäusteballen

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit seiner Zustimmung zur Verschärfung des Asylrechts hat am Freitag Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Phalanx der Grünen im Bundesrat aufgebrochen.

Die Bundesregierung hat im Bundesrat am Freitag einen von den Grünen gegen die Asylrechtsänderung unternommen Blockadeversuch erfolgreich abgewehrt. Baden-Württemberg wechselte in der entscheidenden Abstimmung die Seiten und brachte die Ablehnungsfront von rot-grün und rot-rot regierten Ländern zu Fall. Im Bundestag hatten Grüne und Linke das Gesetz abgelehnt.

Der Bundesrat segnete damit einen politischen Tauschhandel ab - Flüchtlinge aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina können im Prinzip kein Asylrecht mehr beanspruchen, weil ihre Länder nun als sichere Herkunftsstaaten gelten. Im Gegenzug sollen einige Erschwernisse im Ausländerrecht abgeschafft werden.

Doppelpass gebilligt - Debatten zu Bafög und Elterngeld

Doppelpass - Der Bundesrat billigte die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Für in Deutschland lebende Kinder ausländischer Eltern wird es damit leichter, sowohl den ausländischen als auch den deutschen Pass zu behalten. Bislang mussten sie sich bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Bedingung für den Doppelpass sind allerdings acht Jahre Aufenthalt in Deutschland, sechs Jahre Schulbesuch oder der Erwerb eine deutschen Schulabschlusses. In Deutschland lebende erwachsene Migranten profitieren von der Neuregelung nicht.

Bafög - Die Länder begrüßten das Vorhaben der Regierung, dass der Bund künftig die Kosten für die Bafög-Ausbildungsförderung übernimmt. Damit sollen die Länder und Kommunen Spielräume für Investitionen im Bildungsbereich an anderer Stelle erhalten. Ab dem Wintersemester 2016/17 sollen zudem die Bafög-Sätze steigen. Darüber wird nun im Bundestag weiter beraten. Durch eine Änderung des Grundgesetzes sollen zudem Bund-Länder-Kooperationen zur Förderung der Hochschulen ermöglicht werden. Für Schulen bleibt das umstrittene Kooperationsverbot aber bestehen.

Elterngeld - Nachbesserungen forderten die Länder bei den Regierungsplänen für das sogenannte Elterngeld Plus. Dieses soll Eltern mehr Flexibilität beim Bezug von Elterngeld einräumen und beispielsweise durch einen Partnerbonus die Möglichkeit der Teilzeitarbeit für beide Eltern besser berücksichtigen. Die Länder verlangten zudem, Nachteile für getrennt lebende Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht beim Partnerbonus zu vermeiden und für flexible Arbeitszeiten gleiche Regeln gelten zu lassen wie bei Teilzeit.

Atom - Eine Entscheidung über den Umgang mit Rückstellungen der Atomkonzerne hat der Bundesrat vertagt. Einem Antrag zufolge sollte die Summe über 38,5 Milliarden Euro in einem Fonds gesichert werden, dass sie auch bei der Insolvenz eines Energiekonzerns zur Verfügung stehen. NRW intervenierte gegen das Vorhaben aus Sorge um die im Land ansässigen Unternehmen RWE und E.on. Agenturen/nd

Das betrifft die Lockerung der Residenzpflicht, die die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge einschränkt. Wer sich allerdings vorstellt, dass sich die Flüchtlinge nun frei im Bundesgebiet bewegen können, wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl eines besseren belehrt. »Mehr als eine Entkriminalisierung von Verwandtenbesuchen ist dies kaum.« Ein »Wohnsitzwechsel zum Ort des Arbeitsplatzes oder der Bildungseinrichtung ist weiterhin kaum möglich«, meinen die Asylexperten nach Durchsicht des Kompromisses. Auch bei der Lockerung des Arbeitsverbotes geht es um eher Kleinteiliges. So soll die sogenannte Vorrangprüfung gelockert werden. Sie schreibt vor, dass Asylbewerber erst dann eingestellt werden dürfen, wenn Deutsche oder EU-Staatsbürger nicht zu Verfügung stehen. Die Aufhebung des Sachleistungsprinzips im Asylbewerberleistungsgesetz schätzt Pro Asyl dagegen als Fortschritt ein.

Winfried Kretschmann (Grüne) ist nicht der erste Landesfürst, der sich den Seitenwechsel politisch honorieren lässt. Wenn die Partei- und Fraktionsspitze der Grünen am Freitag mit Kretschmann wegen seines Alleingangs zumindest verbal ins Gericht ging, muss man sich allerdings die Frage stellen, was die Grünen bei den Verhandlungen überhaupt erreichen wollten. Wer die drei Balkanstaaten für Minderheiten nicht für sicher hält, und daran haben die meisten Grünen nie einen Zweifel gelassen, der muss zu einem Gesetz, das das genaue Gegenteil festschreibt, Nein sagen.

In diesem Fall wäre der Bund zu einem Vermittlungsverfahren gezwungen gewesen. Stattdessen hat sich, bevor es dazu kam, die grüne Formation im Bundesrat aufgelöst. Diese vergleichsweise leichte Überwindung des grünen Widerstands in der Länderkammer dürfte im Kanzleramt genau registriert worden sein. Noch vor wenigen Tagen hatten die Grünen angekündigt, den Bundesrat zur effektiven Bekämpfung der Großen Koalition nutzen zu wollen. Auch die unbeliebte Maut und sogar das noch weniger geliebte Freihandelsabkommen TTIP sollten dort am Widerstand der Grünen zerschellen. Kretschmanns Deal hat diese vollmundige Ankündigungspolitik fürs erste gründlich blamiert.

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