BND übermittelte jahrelang Daten an US-Dienst

Aus Versehen? / Steinmeier segnete Operation offenbar ab / Linkenchef Riexinger: Massenhafte vorsätzliche Grundrechtsverstöße / Kein Kommentar von Geheimdienst

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Nach dem Bekanntwerden neuer Hinweise darauf, dass der Bundesnachrichtendienst der umstrittenen US-Behörde NSA jahrelang auch Daten deutscher Staatsbürger weitergegeben hat, fordert der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, die Bundesregierung auf, den Sachverhalt rasch aufzuklären. »Wir reden hier immerhin von massenhaften vorsätzlichen Grundrechtsverstößen«, sagte er dem »Handelsblatt«. Dies verstärke »den Verdacht, dass der BND die deutsche Schnüffelfiliale der NSA ist«.

Bei der Zusammenarbeit hat der BND nach Medienberichten jahrelang auch Daten deutscher Staatsbürger weitergegeben. Das gehe aus streng geheimen Unterlagen hervor, die die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur NSA-Affäre vorgelegt habe, berichteten NDR, WDR und »Süddeutsche Zeitung«. Es gehe um Daten, die der BND zwischen 2004 und 2008 am Internet-Knotenpunkt in Frankfurt am Main abgegriffen habe. Eigentlich habe ein Programm die Daten deutscher Internetnutzer herausfiltern sollen. In den Unterlagen heiße es aber bilanzierend, dass eine »absolute und fehlerfreie« Trennung zwischen deutscher und ausländischer Kommunikation nicht möglich gewesen sei.

Unter Berufung auf geheimen Unterlagen heißt es, BND-interne Prüfungen hätten schon zu Beginn der Übermittlungen gezeigt, dass mindestens fünf Prozent der deutschen Kommunikationsdaten nicht heraussortiert werden konnten. Die Unterlagen deuteten auch darauf hin, »dass vermutlich weder die in Deutschland für Zugriffe auf Kommunikation zuständige G-10-Kommission noch das Parlamentarische Kontrollgremium von der Weitergabe der Daten an die NSA gewusst haben«. Genehmigt hatte die Operation dem Bericht zufolge der damalige Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der rot-grünen Bundesregierung.

»Warum also stimmte der damalige Kanzleramts- und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier der Operation zu? Warum ließ sein Nachfolger Thomas de Maizière sie weiterlaufen?«, fragt die »Süddeutsche Zeitung«. Der BND wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa zu dem Bericht nicht äußern. Aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch aus Respekt vor der parlamentarischen Aufarbeitung der sogenannten NSA-Affäre berichte man ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestages, sagte ein Sprecher des deutschen Auslandsgeheimdienstes.

Der Frankfurter Internet-Knoten De-Cix ist der größte Datenaustauschpunkt der Welt. Dort kommen die Datenströme der Internetanbieter und Unternehmen zusammen und werden auf dem Weg zu ihren jeweiligen Zieladressen weitergeleitet. Ausländische Geheimdienste haben nach Angaben der Betreiber definitiv keinen Zugriff. Der BND darf die Datenströme aber überwachen.

Der Rechercheverbund NDR, WDR und »SZ« hatte bereits im Juni Informationen öffentlich gemacht, wonach der BND zwischen 2004 und 2007 in Frankfurt abgegriffene Daten an die US-Geheimdienstkollegen von der National Security Agency weitergeleitet haben soll. Damals hieß es aber, Daten deutscher Bürger seien nicht darunter gewesen. Den Medien zufolge forderte der NSA-Ausschuss nach dem damaligen Bericht neue Unterlagen an.

Der NSA-Untersuchungsausschuss versucht seit April, den Ausspähungen ausländischer Geheimdienste in Deutschland und möglichen Verstrickungen deutscher Dienste auf den Grund zu gehen. Anlass waren die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, der massenhafte Ausspähung durch die NSA weltweit aufdeckte. dpa/nd

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