Altkanzler Kohl rechnet mit CDU ab

Veröffentlichung unautorisierter Erinnerungen des CDU-Politikers sorgen für Aufregung in der Union

  • Lesedauer: 2 Min.
Bundeskanzlerin Merkel, Ex-Bundespräsident Wulff - es sind einige aktuelle und ehemalige Größen, mit denen Altkanzler Helmut Kohl hart ins Gericht geht. Doch das Buch seines Ex-Biografen gefällt dem 84-Jährigen nicht.

Hamburg. Der Heyne-Verlag hat am Montag damit begonnen, das umstrittene Buch »Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle« über Altkanzler Helmut Kohl auszuliefern. »Das Buch erscheint bei uns ganz normal und wird heute ausgeliefert - wir sehen da im Moment keinen Handlungsbedarf«, sagte eine Verlagssprecherin. Bislang liege keine Unterlassungsaufforderung vor. Kohl will nach einem »Focus«-Bericht juristische Schritte gegen seinen früheren Biografen und Buchautor Heribert Schwan einleiten und beauftragte seine Anwälte, die Veröffentlichung des Buches zu stoppen.

Grund des Streits sei der Verdacht, Schwan habe für die Publikation jene 200 Tonbänder aus Gesprächen mit Kohl verwertet, deren Nutzung ihm nach seinem Bruch mit dem Altkanzler vom Oberlandesgericht Köln untersagt wurde. Der Journalist Schwan hat inzwischen beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Revision gegen das Kölner Urteil eingelegt. Er erhebt als Ghostwriter von Kohls »Erinnerungen« ebenfalls weiterhin Anspruch auf die Bänder.

Laut »Spiegel« soll Kohl in Gesprächen mit seinem Ghostwriter Schwan zum Teil drastisch mit seinen Parteifreunden abgerechnet haben. Kohl klagte demnach in deutlichen Worten über CDU-Politiker wie Kanzlerin Angela Merkel, den früheren Bundesminister Norbert Blüm oder den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Bundespräsidenten Christian Wulff.

»Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen«, soll Kohl drei Jahre nach seiner Abwahl als Parteichef über seine Nachfolgerin. Den damaligen niedersächsischen CDU-Chef Wulff nannte er dagegen angeblich »eine Null«. Er sei »ein ganz großer Verräter«.

In den Interviews äußerte sich Kohl laut »Spiegel« auch zur friedlichen Revolution in der DDR. Nach Auffassung des Altkanzlers trug nicht in erster Linie die ostdeutsche Bürgerrechtsbewegung zum Zusammenbruch des Regimes bei - vielmehr sei dafür die wirtschaftliche Schwäche der Sowjetunion ursächlich gewesen.

Schwan hatte in den Jahren 2001 und 2002 insgesamt 630 Stunden Gespräche aufgezeichnet, die er mit Kohl in dessen Haus in Oggersheim geführt hatte. Sie dienten Schwan bei der Abfassung der Kohl-Memoiren. Nach seinem schweren Treppensturz 2008 musste Kohl die Arbeit mit Schwan an der Biografie unterbrechen. Im März 2009 kündigte der Altkanzler schließlich die Zusammenarbeit mit dem Journalisten auf.

Kohls langjähriger Weggefährte, der Ehrenvorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Bernhard Vogel, sagte am Montag im Deutschlandfunk, man müsse »unterscheiden zwischen offiziellen Akten, zwischen sogenannten Handakten und einem selbstverständlich auch bestehenden Recht auf private Unterlagen«. Agenturen/nd

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