Tod auf Helgoland
An der Nordseeküste sind schon 180 Seehunde verendet - Experten rätseln über Ursachen
An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste werden Erinnerungen an das Massensterben von Seehunden im Jahr 2002 wach. Tag für Tag finden Seehundjäger an den Stränden der Inseln Helgoland, Amrum, Föhr und Sylt tote Tiere. »Seit Monatsbeginn sind bereits rund 180 tote Tiere entdeckt worden«, sagte der Sprecher des Nationalparkamts, Hendrik Brunckhorst, am Mittwoch in Husum. Die Ursache für das Sterben ist noch unbekannt. Äußerlich wirkten die Tiere nicht krank, sagt Seehundexpertin Britta Diederichs vom Nationalparkamt in Tönning. Nach dem Grund für das Sterben der Seehunde suchen in Büsum Experten der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Staupe- oder Influenzaviren könnten verantwortlich für die Entwicklung sein. Vor der dänischen Ostseeinsel Anholt wurden seit August rund 200 von 1500 dort insgesamt lebenden Tieren tot gefunden. »Dort ist ein Grippevirus in Kadavern nachgewiesen worden«, sagt Brunckhorst.
Tierschützer befürchten ein neues Massensterben im Wattenmeer. Mit ähnlich vielen toten Seehunden wie bei den beiden großen Ausbrüchen der Seehundstaupe rechnet Expertin Diederichs zwar nicht. 2002 verendeten an Nord- und Ostsee knapp 22 000 Tiere, 1988 waren es rund 18 000. »Es kann aber trotzdem sein, dass 1000 Tiere betroffen sein werden«, sagt Diederichs. Als Beleg für ihre Vermutung führt sie die Entwicklung in Dänemark an, wo im Sommer mehr als zehn Prozent des Bestands verendete.
Sorgen um den Seehundbestand an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste insgesamt macht sich die Expertin aber nicht. Dort leben schätzungsweise 12 000 Seehunde. »Der Seehundbestand ist in den vergangenen Jahren beständig gewachsen«, sagt Diederichs. Sie spricht von natürlichen Prozessen innerhalb der Population. »Das ist eine normale Entwicklung, die dazugehört in solchen Beständen. Starke Tiere werden das überstehen, andere Tiere leider nicht.« Seit Ende vergangener Woche wurden auf Helgoland und Amrum täglich jeweils fünf bis zehn tote Tiere entdeckt, auf Sylt bis zu 16. Viele von ihnen waren bereits mehrere Jahre alt. Einige der Tiere schleppt sich noch schwer krank an den Strand. »Sie werden dann vor Ort von Seehundjägern erlöst«, sagt Diederichs. Außer einem Husten seien bei ihnen keine äußeren Anzeichen einer Erkrankung festzustellen. Der Großteil der Tiere sei zudem gut genährt. »Das Husten kann verschiedene Ursachen haben, der Staupevirus ist nur eine.« Das Virus verbreitet sich an den Liegeplätzen der Seehunde. Bei einem Ausbruch wird das Immunsystem geschwächt. Überlebende Tiere bilden Antikörper und sind danach für einige Zeit immun gegen die Seuche. Die Abwehrkräfte lassen jedoch mit jedem Jahr nach.
Brunckhorst und Diederichs wollen über die Gründe für das Sterben nicht spekulieren. Die Experten rechnen erst in den kommenden Tagen mit Erkenntnissen aus den Untersuchungen in Büsum. dpa/nd
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