Verantwortliche Wissenschaft
Rüstungsforschung an Hochschulen wächst – die Gegenbewegung ist dennoch weniger pessimistisch, als man denkt
»Schwerter zu Pflugscharen« – so lautet eine Losung der Friedensbewegung. Ein Transparent mit diesem Symbol hing auch beim Zivilklausel-Zukunftskongress an einer Wand der Aula der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Rund 150 Menschen aus den Hochschulen, Gewerkschaften und der Friedensbewegung diskutierten hier am Wochenende über Perspektiven der Bewegung, die sich seit rund sechs Jahren für ein Ende der Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen stark macht. Ihr Bild sei eine Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung, »in der alle Beteiligten an der Verbesserung der Lebensbedingungen aller arbeiten«, erklärt die Kölner Studentin der Medienwissenschaften Senta Pineau.
Zivilklauseln sind Selbstverpflichtungen von wissenschaftlichen Einrichtungen, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen, zu lehren und zu arbeiten. Rund 20 Universitäten der Bundesrepublik haben solche Klauseln in ihrer Grundordnung verankert. Die Hamburger Hochschulen, darunter die HAW, gehören nicht dazu. An rund 60 Unis, so die Schätzung von Kongressteilnehmern, wird Rüstungsforschung betrieben. Dennoch sehen die Veranstalter die Entwicklung nicht so pessimistisch, wie sich angesichts dieser Zahlen vermuten lässt. Allein in den letzten vier Jahren seien aufgrund der Zivilklauselbewegung 13 Zivilklauseln an Hochschulen eingeführt worden.
Aber auch dort, wo es diese Selbstverpflichtung schon lange gibt, ist die Auseinandersetzung nicht zu Ende. Denn hier ist sie oft in Vergessenheit geraten. Jannik und Tobias vom AStA der Uni Bremen, die sich schon 1986 auf zivile Forschung verpflichtet hat, verweisen auf Pläne für eine Stiftungsprofessur aus dem Jahr 2011, die vom Bremer Weltraumkonzern OHB AG gesponsert werden sollte. »Das Angebot einer fünfjährigen Professur fällt in den Bereich der Dual-Use-Problematik«, erklärt Soziologiestudent Tobias. Gemeint sind damit Forschungsprojekte, die sowohl für zivile Anwendungen genutzt werden können als auch für militärische. Häufig sei aber nicht zu klären, woher bestimmte Forschungsgelder stammen, daher müsse bei der Diskussion um die Rüstungsforschung auch über eine »Transparenzklausel« gesprochen werden. »Wir versuchen, die Diskussion neu zu beleben und die Zivilklausel wieder in die öffentliche Diskussion zu bringen«, sagen die Bremer Studierendenvertreter. Wie das gelingen kann, hofften sie aus den Erfahrungsberichten bei der Konferenz lernen zu können. »Wir wollen uns einen Überblick verschaffen, wie an anderen Unis die Zivilklauselbewegung vorangeschritten ist.«
Neben Studierenden waren auch Vertreter der Gewerkschaften ver.di und GEW bei der bundesweiten Versammlung der Kampagne. Eher mager fiel hingegen die Beteiligung von Wissenschaftlern aus. So war mit dem Informatiker Hans-Jörg Kreowski von der Universität Bremen gerade mal ein Hochschulangestellter anwesend. Kreowski ist Mitglied im Forum InformatikerInnen für Frieden (FifF). Der 1984 gegründete kritische Berufsverband befasst sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Informationstechnik.
Die Zivilklauselbewegung an deutschen Hochschulen versteht sich als Teil der Friedensbewegung, die die Kampagne aktiv unterstützt. Monty Schädel, Geschäftsführer der DFG-VK, hält es zwar nicht für realistisch, dass Rüstungsforschung in naher Zukunft beendet wird, die Zivilklausel bedeute aber »eine Verbesserung unserer Kampfbedingungen«. Er kündigte für die nächsten Monate einen »Friedenswinter« mit zahlreichen bundesweit abgestimmten Aktionen gegen Kriege und Aufrüstung an. So seien in der Woche vom 8. bis 13. Dezember dezentrale Demonstrationen und ein »Friedensfahnentag« geplant. Zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus im kommenden Jahr ist eine große zentrale Friedensdemonstration für den 8. oder 9. Mai im Gespräch. Auf diesen Tag orientiert sich auch die Zivilklauselbewegung. Ihr nächster Bundeskongress soll Ende Januar in Berlin stattfinden.
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