Für Obama wird es jetzt eng
Republikaner erobern Mehrheit im Senat und bauen Vorsprung im Abgeordnetenhaus aus / LINKE zu Kongresswahlen: »Ergebnis nicht nur Debakel für Demokraten«
Update 17.00 Uhr: Die US-Bundeshauptstadt Washington erhält zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder eine Bürgermeisterin. Die Demokratin Muriel Bowser schlug in der Nacht zum Mittwoch zwei unabhängige Gegenkandidaten mit einem Vorsprung von fast 20 Prozent, wie die »Washington Post« berichtete. Damit bleibt die Stadt trotz des US-weiten Gegentrends hin zu den Republikanern ihrer Tradition als liberale Metropole treu. Auch Vincent Gray, den Bowser ablöst, ist ein Demokrat.
Die 42-jährige Afroamerikanerin hatte im Vorfeld immer wieder deutlich gemacht, dass sie das marode U-Bahnnetz sowie das Schulsystem verbessern und die hohe Kriminalitätsrate senken wolle. »Die Arbeitslosigkeit ist leicht zurückgegangen. Aber das können wir besser. Wir sind Washington, wir müssen besser sein«, sagte Bowser nach ihrem Sieg. Sie wolle aus guten Stadtvierteln noch bessere Stadtviertel machen.
Was ist bei den Kongresswahlen passiert?
Genau das, was die Umfragen vorhergesagt und die Demokraten befürchtet haben. Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat zurückerobert. Zugleich bleiben sie mit Abstand die stärkste Partei im Repräsentantenhaus. Damit sind künftig erstmals seit acht Jahren beide Kongresskammern wieder in der Hand der Konservativen.
Gab es Überraschungen?
Erstaunlich ist die Klarheit der demokratischen Niederlage. Die »Washington Post« spricht von einer »republikanischen Welle«, die über das Land hereinbrach. Mindestens 10 der 13 knappen Senatsrennen entschieden die Konservativen für sich. Um mindestens 10 Sitze vergrößerten sie ihren Vorsprung im Abgeordnetenhaus. Bei den Gouverneurswahlen gab es ebenfalls Überraschungssiege.
Was bedeutet das Resultat konkret?
Es klingt hart - und das ist es auch: Die Demokraten haben im Kongress nichts mehr zu sagen. Nur noch die Republikaner können Gesetze durch das Parlament bringen. Für Obama bedeutet das, er muss Kompromisse eingehen - oder mit einer Totalblockade rechnen.
Herrschte vorher nicht schon politischer Stillstand?
Im Kern ja. Weil die Republikaner seit 2010 das Repräsentantenhaus beherrschten, konnten sie bereits nahezu alle Initiativen der Demokraten blockieren. Gesetze müssen stets wortgleich in beiden Kammern verabschiedet werden. Doch die Senatsmehrheit verschaffte Obama einige Freiräume, die er nun auch verloren hat.
Was bedeutet das im Detail?
Der Senat ist etwa für Personalentscheidungen verantwortlich. Wenn Obama einen Minister, Bundesrichter oder Botschafter ernennt, muss dieser vom Oberhaus bestätigt werden. Bei der Besetzung wichtiger Ämter kommt der Präsident nun nicht mehr an den Republikanern vorbei. Die erste Nagelprobe steht schon an, da ein Nachfolger für Justizminister Eric Holder gefunden werden muss.
Worauf muss sich Obama noch gefasst machen?
Der Kongress legt den Staatshaushalt fest, den der Präsident zum Regieren braucht. Auch da ist er jetzt weitgehend von der Opposition abhängig. Will er zudem Herzensanliegen wie eine Einwanderungsreform umsetzen, wird er Abstriche von seinen Vorstellungen machen müssen.
Können die Republikaner jetzt machen, was sie wollen?
So einfach ist das nicht. Erstens haben die Demokraten im Senat immer noch mehr als 40 der 100 Sitze - und damit eine Sperrminorität. Gesetze können wegen der Geschäftsordnung nur mit Zustimmung von 60 Senatoren verabschiedet werden. Zweitens kann Obama gegen jeden Vorstoß aus dem Kongress ein Veto einlegen. Die Frage ist, ob er seine letzten zwei Jahre im Amt als Blockierer fristen will.
Wie kann er den politischen Totalstillstand verhindern?
Obama könnte sich darauf versteifen, mit Hilfe von Erlassen zu regieren, für die er keine Genehmigung durch den Kongress braucht. Die haben zwar nicht die Bindekraft von Gesetzen, können aber dennoch etwas ausrichten. In der Umwelt-, Bildungs- und Einwanderungspolitik setzte er sie bisher häufiger ein. Doch wenn er wirklich noch einen großen Wurf schaffen will, muss er sich mit den Republikanern an den Tisch setzen und harte Kompromisse machen. Die Frage ist aber, ob die Konservativen da vor der Präsidentenwahl 2016 überhaupt mitspielen.
Hat das auch außenpolitische Folgen?
Nicht direkt, da die Außen- und Verteidigungspolitik die Domäne des Weißen Hauses ist. Doch Obama wird nicht einfach am Parlament vorbei handeln können. Internationale Abkommen müssen im Kapitol bestätigt werden. Auch Kriege kann offiziell nur der Kongress erklären. Zudem werden einflussreiche Ausschüsse künftig von Republikanern geleitet. dpa/nd
Die Washingtoner Bürger konnten außerdem über die Legalisierung von Marihuana-Besitz in der Stadt entscheiden. 69 Prozent entschieden sich der »Washington Post« zufolge dafür. Bevor das Mitführen von bis zu 50 Gramm Cannabis endgültig erlaubt ist, muss der Kongress aber noch seine Zustimmung geben.
Update 15.50 Uhr: Präsident Barack Obamas Forderungen nach einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von derzeit 7,25 Dollar (rund 6,10 Euro) pro Stunde auf Bundesebene stoßen bei den Republikanern im Kongress auf Widerstand. Entsprechende Volksbegehren für eine Erhöhung in Arkansas, Nebraska und South Dakota waren aber erfolgreich. In Illinois stimmten die Bürger ebenfalls einer Aufstockung des Mindestlohns zu, das Ergebnis hat dort aber keine bindende Wirkung.
Update 14.17 Uhr: Für Stefan Liebich, Obmann der LINKEN-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, ist das Wahlergebnis in den USA nicht nur ein Debakel für die Demokraten: »Es droht auch ein Debakel für den Rest der Welt zu werden. Fernab sachlicher Erwägungen können nun die Republikaner mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus und nun auch im Senat alle Initiativen des Präsidenten blockieren.« Sowohl die Liberalisierung der Einwanderungspolitik als auch die Einschränkung des Waffenhandels oder das geplante Klimagesetz drohen irreparablen Schaden zu nehmen, wichtige internationale Abkommen, wie das Atom-Abkommen mit dem Iran, stünden zur Disposition: »Für die USA wird diese paralysierende innenpolitische Konstellation zur großen Herausforderung für ihre nationale und internationale Handlungsfähigkeit. Es ist nun in erster Linie an den Republikanern, sich zwischen Stillstand und Kompromissbereitschaft zu entscheiden. Dabei ist nicht abzusehen, dass sich letzteres durchsetzt«, so Liebich abschließend.
Update 13.55 Uhr: Berkeley in Kalifornien führt als erste Stadt in den USA eine Limo-Steuer ein. Die Wähler in der liberalen Universitätsstadt sprachen sich im Kampf gegen den hohen Zuckerkonsum klar für eine Besteuerung zuckerhaltiger Getränke aus. Eine in den USA handelsübliche 350-Milliliter-Dose soll mit dem Aufschlag etwa 12 US-Cent mehr kosten. Auch in San Francisco stimmte die Mehrheit der Wähler für eine Limo-Steuer, das Referendum scheiterte aber an der dort erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Mit den geschätzten Millioneneinnahmen sollte die Fettleibigkeit vor allen bei Kindern und Jugendlichen bekämpft werden.
Mehrere kleine Bezirke und Städte in Kalifornien, Texas und Ohio haben dem umstrittenen Gas-Fracking einen Riegel vorgeschoben. Die Wähler der kalifornischen Bezirke Mendocino und San Benito stimmten für das Verbot der Gasförderung in tiefen Gesteinsschichten unter Einsatz von Chemikalien. Im Bezirk Santa Barbara scheiterten die Umweltschützer dagegen mit ihrem Vorstoß. Als erste Stadt im Öl-Staat Texas führte Denton ein Verbot ein. Die Gas-Förderung durch Fracking ist in den USA weit verbreitet, in Europa ist die Methode sehr umstritten. Umweltschützer fürchten unter anderem eine Verunreinigung des Trinkwassers.
Update 12.35 Uhr: Legales Kiffen ist in den USA auf dem Vormarsch. 2012 waren Colorado und Washington die Vorreiter für die Freigabe der Droge. Nun stimmten auch die Wähler in Alaska und in Oregon für die Legalisierung von Marihuana. Danach dürfen Bürger ab 21 Jahren in Oregon das Rauschmittel besitzen und bei sich zu Hause vier Cannabis-Pflanzen anbauen, in Alaska sind es sogar maximal sechs Pflanzen. Das regulierte Geschäft mit der Droge als legales Genussmittel wollen die Bundesstaaten nach dem Vorbild von Colorado und Washington besteuern. Auch in der Hautpstadt Washington D.C. ist das Kiffen nun legal. Nach Bundesgesetzen ist Marihuana aber weiter eine illegale Droge. Eine Abstimmung in Florida um Marihuana für medizinische Zwecke erhielt zwar mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen, doch das Referendum verfehlte knapp die notwendige Mehrheit von 60 Prozent der Stimmen. In 23 US-Bundesstaaten sowie der Hauptstadt Washington ist Kiffen zur Behandlung von Kranken zugelassen.
Die Aussichten vor den US-Kongresswahlen waren nicht gut für Barack Obamas Demokraten, doch ein solches Debakel hatten wohl nur wenige erwartet. Die Republikaner konnten die allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik des US-Präsidenten in deutliche Gewinne im Senat, im Repräsentantenhaus und bei den Rennen um die Gouverneursposten in den Bundesstaaten ummünzen. Die »Washington Post« schrieb von einer »republikanischen Welle«, die über das Land gerollt sei. Obama muss sich auf ungemütliche Zeiten in seinen verbleibenden zwei Jahren im Weißen Haus gefasst machen.
Erstmals seit acht Jahren kontrollieren die Republikaner wieder beide Kongresskammern. »Das amerikanische Volk hat ihr Vertrauen in die Republikanische Partei gesetzt«, sagte der Parteivorsitzende Reince Priebus. Der erzkonservative republikanische Senator Ted Cruz ergänzte: »Es war eine kraftvolle Zurückweisung der Agenda Obamas.« Wie Dominosteine fielen am Dienstagabend (Ortszeit) nacheinander die von Demokraten kontrollierten Senatssitze, noch vor Mitternacht stand der Machtwechsel fest. Im Repräsentantenhaus bauten die Republikaner derweil ihre ohnehin schon komfortable Mehrheit aus.
Wie mehrere TV-Sender in der Nacht zum Mittwoch auf Grundlage von Hochrechnungen berichteten, errangen sie mindestens 52 der 100 Sitze im Oberhaus. Den Sieg der Republikaner hatten alle Umfragen vorausgesagt. Die Demokraten verloren ihre Senatssitze unter anderem in Arkansas, Colorado, Montana, West Virginia, South Dakota, North Carolina und Iowa. Auch in Louisiana haben die Republikaner gute Aussichten, bei einer Stichwahl am 6. Dezember den Demokraten ein Mandat abzunehmen.
Im Abgeordnetenhaus erhöhten die Republikaner ihre Mehrheit von 233 auf 250 Sitze, so eine Hochrechnung des TV-Senders NBC. Alle Umfragen hatten vorausgesagt, dass die Wähler Obama abstrafen würden. Sie lasten seiner Regierung Missmanagement bei zahlreichen innenpolitischen Problemen an. In der Außenpolitik handle er schwach und zögerlich, so die Vorwürfe.
Bereits in der Wahlnacht lud Obama die Anführer beider Parteien und Kammern für Freitag zu einem Treffen ein, wie das Weiße Haus mitteilte. Bei dem Gespräch dürfte er versuchen, die Weichen für seine verbleibende Amtszeit bis Januar 2017 zu stellen und Möglichkeiten für Kompromisse auszuloten.
Der wahrscheinliche neue Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, deutete nach seinem Sieg in Kentucky bereits Kompromissbereitschaft an: »Nur weil wir ein zwei-Parteien-System haben, bedeutet das nicht, dass wir in ewigem Konflikt leben müssen«, sagte der 72-Jährige. »Wir haben eine Verpflichtung, bei Themen zusammenzuarbeiten.« Allerdings deutete er an, dass es nicht leicht sei, die Kluft zu überwinden.
Die Suche nach Kompromissen in einer solchen Lage zählt zur politischen Tradition der USA. Auch Obamas Vorgänger George W. Bush und Bill Clinton haben sich in Einzelfragen mit einem von der Opposition beherrschten Kongress verständigen können.
Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama hatten 2010 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Seitdem konnten die Republikaner nahezu alle wichtigen Gesetzesvorhaben der Obama-Regierung blockieren. Nach ihrem Sieg stellen die Republikaner weiterhin den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Derzeit bekleidet John Boehner (64) diesen Posten.
Der Kongresswahlkampf war der bislang teuerste aller Zeiten. Nach Berechnungen des unabhängigen »Center for Responsive Politics« kostete der Wahlkampf aller Kandidaten insgesamt rund 3,67 Milliarden Dollar (2,94 Mrd Euro).
Außer den 36 Senatoren und 435 Abgeordneten für den Kongress wurden auch 38 Gouverneure sowie Bürgermeister in 172 Städten gewählt. Darüber hinaus gibt es in zahlreichen Bundesstaaten Referenden, beispielsweise über eine Legalisierung von Haschisch, über Fracking bis zur Besteuerung zuckerhaltiger Getränke. Agenturen/nd
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