US-Deserteure dürfen auf Asyl hoffen
EuGH-Gutachten schließt Anerkennung der politischen Verfolgung von US-Militärangehörigen nicht aus
Der US-Deserteur André Shepherd darf weiter auf Asyl in Deutschland hoffen. Einem Rechtsgutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg zufolge könnten Armeeangehörige Asyl beantragen, falls ihnen durch den Militärdienst Verwicklungen in Kriegsverbrechen drohten. Eine einflussreiche Gutachterin des EuGH wies am Dienstag aber noch auf eine Reihe offener Fragen hin.
Der in Bayern stationierte US-Soldat setzte sich 2007 von seiner Einheit ab, nachdem er den Befehl zu einem weiteren Einsatz in den Irak-Krieg bekommen hatte. 19 Monate versteckte sich der Mann mit schwarzer Hautfarbe vor der US-Militärpolizei in Bayern, bevor er als erster Deserteur der US-Army in Deutschland Asyl beantragte. Doch sein Asylantrag wurde im März 2011 abgelehnt. Er habe kein einziges Kriegsverbrechen seiner Einheit in Irak nachweisen können, hieß es in der Begründung. Das Verwaltungsgericht München rief daraufhin den EuGH an.
Der heute 37-jährige Shepherd nahm 2004 in der zweiten Schlacht von Falludscha teil, als die US-Army die Stadt im Häuserkampf einnahm und rund 1500 Iraker ermordete. Shepherd wurde während des fünfmonatigen Einsatzes als Wartungsmechaniker für Apache-Hubschrauber eingesetzt.
Die EuGH-Gutachterin Eleanor Sharpston argumentierte nun, dass es grundsätzlich für Militärangehörige möglich sei, einen Antrag auf Asyl zu stellen, auch dann, wenn sie wie Shepherd nicht direkt an Kampfhandlungen teilnehmen. Sie wies darauf hin, dass die zuständigen Asylbehörden zu prüfen hätten, ob ein Asylsuchender Gefahr laufe, Kriegsverbrechen zu verüben; die Nachweispflicht liege nicht bei dem Deserteur. Ob die Vereinten Nationen den Einsatz genehmigt hätten, spiele dabei keine Rolle.
Shepherd sieht sich als Vorreiter für andere US-Deserteure. »Es gibt viele tausend Menschen, die in ähnlichen Situationen sind.« Deshalb müsse ein Weg gefunden werden, damit Soldaten dem Wahnsinn von Kriegen entkommen könnten, die auf Verbrechen beruhten. Sollte Shepherd in die USA zurückkehren müssen, so drohen ihm nach eigener Aussage wegen Fahnenflucht 18 Jahre Haft und die unehrenhafte Entlassung aus der Armee.
Ob dies als Diskriminierung zu bewerten ist oder eine angemessene Strafe darstellt, wie die Bundesrepublik argumentiert, müsse noch geprüft werden, betonte die Gutachterin Sharpston. Die deutschen Behörden müssten außerdem noch klären, ob es in den USA ein Verfahren für Kriegsdienstverweigerer gebe. Wenn Shepherd nämlich dadurch dem Irak-Einsatz hätte entgehen könne, dann gebe es keinen Grund, ihn als verfolgten Flüchtling anzuerkennen, betonte Sharpston.
Mit einem Urteil des EuGH zu diesen Fragen ist erst in einigen Monaten zu rechnen. In den meisten Fällen folgen die Richter dem Rat der Gutachter.
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