Bundestag diskutiert kontrovers über Sterbehilfe
Linken-Politikerin Vogler fordert offene Debatte über das Sterben
Berlin. In der Bundestagsdebatte über die Sterbehilfe sind Differenzen quer durch alle Fraktionen deutlich geworden. Einigkeit bestand am Donnerstag aber darüber, die Palliativmedizin zu stärken. Eine Mehrheit der Redner wandte sich zudem gegen die umstrittenen Sterbehilfe-Vereine.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) warnte vor einer »Verklärung der Selbsttötung«. Suizid dürfe nicht als Dienstleistung angeboten werden, sagte er mit Blick auf die Sterbehilfe-vereine. Auch der CDU-Abgeordnete Michael Brand sagte: »Einzelne, die geschäftsmäßig Suizidbeihilfe leisten, wollen wir aufhalten.«
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach sich dafür aus, vor einer gesetzlichen Regelung zur Sterbehilfe zunächst die Möglichkeiten der Palliativmedizin auszubauen, die Sterbenskranke insbesondere durch Schmerzbehandlung begleitet. Diese könne helfen, »den verbleibenden Rest des Leben nicht mit Angst, sondern als Gewinn zu betrachten«. Zudem müsse die Ärzteschaft ihre Haltung klären. Er verwies auf die Unterschiede beim regionalen Berufsrecht der Ärzte. »Ein Arzt, der hilft, darf nicht von der Ärztekammer belangt werden dürfen.«
Auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl forderte: »Wir müssen uns darüber Gedanken darüber machen, wie wir diesen Flickenteppich von Regelungen beseitigen.« Sie wandte sich aber gegen den Vorschlag, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Kriterien festzuschreiben, unter denen Ärzten die Suizidbeihilfe erlaubt sein soll.
Genau für eine solche Regelung warb Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU). Einzig eine zivilrechtliche Regelung schaffe Rechtssicherheit für die Ärzte, argumentierte er. Die Palliativmedizin stoße bei Todkranken oft an Grenzen, deshalb müsse es die Möglichkeit zur Suizidbeihilfe geben. Hintze verwies darauf, dass laut Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung die Sterbehilfe befürworte. »Wir sollten der Mehrheit eine Stimme geben.«
Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast sprach sich darüber hinaus gegen ein Verbot der Sterbehilfe-Vereine aus. »Viele haben Ängste wie: 'Werde ich selbstbestimmt und in Würde sterben können?'«, sagte die Vorsitzende des Bundestagsrechtsausschusses. Das Recht sage, dass jeder sein Leben beenden dürfe. Es gebe keine Zahlen, die belegten, dass die Vereine die Suizidrate erhöhten. »Haben wir doch Erbarmen und lassen zu, dass die Menschen ihrer Überzeugung entsprechend leben, aber ihrem Leben auch selbstbestimmt eine Ende setzen dürfen«, sagte Künast.
Unterstützt wird die Forderung nach einer Beibehaltung der Sterbehilfe-Vereine auch von der Linken-Parlamentsgeschäftsführerin Petra Sitte. »Ohnmacht und Hilflosigkeit soll niemand erleben müssen«, sagte sie. Sitte fügte hinzu: »Wer will belegen, dass in aktiver Sterbehilfe eine Geringschätzung des Lebens liegt?«.
Linken-Politikerin Vogler will offene Debatte über das Sterben
Die Gesundheitspolitikerin der Linken, Kathrin Vogler, hat eine offene und freie Debatte im Bundestag über das Sterben gefordert. Dabei dürfe der Tod nicht verklärt werden, ansonsten »liefen wir Gefahr, dass Menschen in Not eben nicht das Recht auf bestmögliche Hilfe zum Leben zugesprochen wird«, sagte Vogler. Zugleich gebe es aber keine Verpflichtung für die Gesellschaft, »den Tod für Sterbewillige zu einer möglichst leicht erreichbaren Dienstleistung zu machen«.
Vogler wandte sich gegen organisierte Sterbehilfe-Organisationen. Sie unterstützte deshalb einen Gesetzentwurf, der die »geschäftsmäßige, organisierte und auf Wiederholung abzielende Suizidassistenz und die Werbung dafür wirksam verbietet«. Sie wolle nicht in einer Gesellschaft leben, »in der Menschen ihren Lebenssinn oder gar ihren Lebensunterhalt daraus gewinnen, anderen den Tod zu bringen«.
Gleichzeitig sprach sich Vogler für eine Straffreiheit für Personen wie Ärzte aus, »die aus einer Vertrauensbeziehung heraus im Einzelfall einem Menschen helfen, sein Leben zu beenden«. Das erscheine ihr menschlicher, als Kriterien festzulegen, die das Aufgabenspektrum der Mediziner erweitern wollten. Vogler gab zu bedenken: »Niemand von uns weiß, wie das geht, das Sterben.«
Eine aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen, steht in den Positions-Entwürfen der einzelnen Abgeordnetengruppen nicht zur Debatte. Es geht lediglich um die Beihilfe zum Suizid. Entscheiden soll der Bundestag in der Frage im kommenden Jahr.
Agenturen/nd
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