Hilfsorganisationen fordern weitere Afghanistan-Hilfe
Angesichts aktuellen Krisen in Syrien, Westafrika und der Ukraine sei die Spendenbereitschaft deutlich zurückgegangen
Berlin. Ein Bündnis von rund 300 Hilfsorganisationen fordert eine anhaltende Unterstützung Afghanistans durch die internationale Staatengemeinschaft auch nach Abzug der internationalen Truppen. Angesichts der aktuellen Krisen in Syrien, in den von Ebola betroffenen Ländern in Westafrika sowie in der Ukraine sei die Spendenbereitschaft für Afghanistan in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen, sagte der Landeskoordinator Afghanistan der Welthungerhilfe, Klaus Lohmann, am Montag in Berlin. Mit dem geplanten Abzug der internationalen Kampftruppen aus Afghanistan Ende 2014 sei zu befürchten, dass das Land völlig aus dem Blickfeld der internationalen Hilfe gerät.
Mit der weltweiten Kampagne »Do not forget Afghanistan« soll auf die aktuelle Situation in dem noch immer bürgerkriegszerstörten Land aufmerksam gemacht werden. Initiator der Kampagne, die zeitgleich in 20 Ländern startet, ist der Dachverband der in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen Acbar.
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 hatten sich zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Organisationen um den Wideraufbau des Landes bemüht. So haben Deutschland und andere Geberstaaten in den vergangenen 13 Jahren den Angaben zufolge rund 100 Milliarden US-Dollar für den zivilen Aufbau Afghanistans ausgegeben.
»Das Land braucht mindestens noch zehn weitere Jahre Unterstützung« betonte Lohmann. Zugleich verwies er darauf, dass Afghanistan bereits große Fortschritte gemacht habe. Als Beispiel nannte er den Bildungsbereich: Während im Jahr 2002 etwa nur eine Million Mädchen und Jungen zur Schule und zur Universität gehen konnten, seien es mittlerweile sieben Millionen. Allerdings sei gut die Hälfte aller Schulen schlecht beziehungsweise gar nicht ausgestattet.
Eine große Herausforderung für Afghanistan werde in den kommenden Jahren auch die Integration zurückkehrender Bürgerkriegsflüchtlinge sein. Derzeit leben noch 1,5 Millionen geflüchtete Afghanen in Pakistan sowie rund eine Million im Iran. Hinzu kämen rund 600.000 Binnenflüchtlinge, betonte Lohmann.
Der Landesdirektor Afghanistan bei der Hilfsorganisation Borda, Alex Miller, verwies darauf, dass derzeit rund 50 Prozent der Afghanen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 60 Prozent keinen Zugang zu sanitären Anlagen haben. Die Kindersterblichkeitsrate sei weiterhin eine der höchsten der Welt. So würden etwa 25 Prozent der Kinder unter fünf Jahren an verunreinigtem Trinkwasser sterben, sagte Miller. Rund 40 Prozent der Kinder seien von Mangelernährung betroffen. In vielen Regionen des Landes gebe es keinen Zugang zu medizinischer Hilfe.
Nach Ansicht des Direktors der Hilfsorganisation Ahead, Said Assadullah Faiz, sowie des Projektkoordinators der Johanniter-Auslandshilfe, André Breitenstein, ist die afghanische Zivilgesellschaft nach wie vor »nicht stabil« ausgebildet. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit vor allem junger Afghanen, der Nachkriegsgeneration, sei auch künftig mit Konflikten zu rechnen. Experten schätzen die Arbeitslosenquote in Afghanistan zwischen 50 bis 60 Prozent.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam erklärte, einen dauerhaften Frieden und eine sozial gerechte Entwicklung könne es in Afghanistan nur geben, wenn die seit dem Fall der Taliban erzielten Fortschritte bei den Frauenrechten gewahrt bleiben. Westliche Staaten müssten dafür auch weiterhin Sorge tragen. epd/nd
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