Streit um Rot-Grünes »Soli«-Modell
Solidaritätszuschlag soll über 2019 hinaus erhoben werden / Union warnt vor Steuererhöhung / LINKE: Vorschlag keine grundsätzliche Lösung
Berlin. Die Ministerpräsidenten von CDU und CSU haben zurückhaltend auf den Vorschlag ihrer Kollegen von SPD und Grünen reagiert, den Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sahen darin am Montag eine direkte oder indirekte Steuererhöhung.
Der Solidaritätszuschlag wird seit 1995 - in Ost und West - auf Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben. Es ist eine unbefristete Steuer in Höhe von heute 5,5 Prozent, die allein dem Bund zusteht. Die Einnahmen lagen zuletzt bei einem Volumen von rund 13 Milliarden Euro und sollen angesichts der guten Arbeitsmarktlage in den kommenden Jahren auf bis zu 18 Milliarden Euro steigen. Der Zuschlag wird laut Bundesfinanzministerium zur Finanzierung der deutschen Einheit erhoben, ist aber nicht zweckgebunden - etwa für den Aufbau Ost. Er ist also nicht identisch mit dem Solidarpakt II, den Aufbauleistungen des Bundes für den Osten.
Seit längerem wird darüber diskutiert, wie der »Soli« in eine Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen integriert werden kann, wenn der Solidarpakt II 2019 ausläuft. Die Länder wollen bei dieser Reform sicherstellen, dass sie künftig einen Anteil des »Soli« abbekommen. Das könnte über dessen Integration in Einkommen- und Körperschaftsteuer funktionieren, an denen Bund und Länder sowie auch Kommunen beteiligt sind.
Tillich sagte am Montag vor Beginn der CDU-Gremiensitzungen in Berlin: »Wir müssen wissen, dass die Einbeziehung in die allgemeinen Steuern natürlich dazu führt, dass es zu einer indirekten Steuererhöhung kommt. (...) Der 'Soli' ist dazu da, um die teilungsbedingten Lasten zu bezahlen. Wenn man eine Steuer haben will, die dann darüber hinausläuft, sollte man diese der Ehrlichkeit halber nicht 'Soli' nennen.«
Söder argumentierte in München: »Wir sind skeptisch gegen eine Übernahme des 'Soli' in die Einkommensteuer. Das wäre eine massive Steuererhöhung.« Der Zuschlag könne zwar zur Infrastrukturabgabe entwickelt werden. »Es braucht aber eine Lösung für den Länderfinanzausgleich. Solidaritätszuschlag und Länderfinanzausgleich sind eng verknüpft.«
Nach dem Willen der zehn Ministerpräsidenten von SPD und Grünen soll der Solidaritätszuschlag ab 2020 auch Ländern und Kommunen im Westen Deutschlands zugutekommen. Er soll dabei in die Einkommens- und Körperschaftsteuer für Bund, Länder und Kommunen integriert werden. Aufbauleistungen - wie sie etwa heute über den Solidarpakt II zweckgebunden in den Osten fließen - sollen künftig dort ansetzen, wo sie benötigt werden, also auch im Westen.
»Es ist gut und notwendig, dass sich die Ministerpräsidenten für eine besondere Förderung strukturschwacher Regionen einsetzen. Solche Regionen gibt es in großer Zahl im Osten, in wachsender Zahl auch im Westen«, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. Perspektivisch sei die Fortführung des Solidaritätszuschlags keine Lösung. »Ein zukunftsfähiger Ansatz muss darin bestehen, Schritte in Richtung einer Umverteilung großer Einkommen und Vermögen zur Finanzierung des Gemeinwesens in Ost und West einzuleiten. Billiglohngebiete, wie es nicht wenige besonders im Osten gibt, bieten keine Perspektive für soziale Gerechtigkeit, auch nicht für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder für Nachhaltigkeit«, so Bartsch.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte in Berlin: »Wir sind uns als Länder einig, dass die Frage des Solidarzuschlags eines der Elemente ist, wie wir die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zukunftsfest machen. Das Grundproblem ist: 2020 laufen eine ganze Reihe von Finanzierungssachverhalten aus, wo wir kluge Lösungen finden müssen. Ich glaube, dass hier noch erheblicher Beratungsbedarf ist.« dpa/nd
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