Modern ist man nur im Moment

Bei BuschFunk haben Künstler aus der DDR nach 1989 Halt gefunden. Jetzt wird das Label 25

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 6 Min.

Ein runder Geburtstag muss gefeiert werden, erst recht ein so unwahrscheinlicher wie dieser. Denn in vielem von dem, was im Musikverlag BuschFunk auflebt und fortlebt und weiterlebt, hört man den Herzschlag einer Totgesagten wummern, nämlich den der DDR. Auf manchen mag das BuschFunk-Sortiment wie ein Schaufenster aus vergangenen Zeiten wirken, das Schmähwort »Ostalgie« liegt schnell auf der Zunge. Wenn er nicht aufpasst, kriegt sogar Axel Prahl eins damit übergebraten. Der stammt zwar aus Schleswig-Holstein, ist aber seit seiner Rolle in Andreas Dresens Film »Halbe Treppe« irgendwie auch ein Ossi. Kein Wunder, dass die Platten, die er mit seiner Band aufnimmt, im Hause BuschFunk erscheinen.

Prahl ist mit dabei, wenn BuschFunk an diesem Freitag im Berliner Postbahnhof sein 25-jähriges Bestehen feiert. Aber es stimmt schon, es sind vor allem Künstler aus dem Osten, die sich zum großen Fest ein Stelldichein geben: Jazzer wie Pascal von Wroblewsky, Uschi Brüning und Ernst-Ludwig Petrowsky sind mit von der Partie, die Bluesrocker von Engerling spielen eine Session, Andreas Dresen legt Platten auf, Stumpen und »Buzz Dee« Bour von Knorkator moderieren. Und die hochkarätig besetzte »BuschFunk Blues Band« hat sich eigens für den Abend formiert.

Was Verlags-Chef Klaus Koch zum Gesamtsortiment seines Hauses sagt, trifft gewissermaßen auch auf das Festprogramm zu: »Es scheint ein Kessel Buntes zu sein.« Aber dann nennt er zwei Kriterien, ein BuschFunk-Künstler zu werden, die über den Verdacht der Beliebigkeit erhaben sind. Zum einen seien es Leute, deren Kunst er selber liebt. Und zum anderen verstehe er sich als Anlaufstelle für »Künstler, die in der DDR groß geworden sind und heute noch das eine oder andere Projekt vorhaben«. Auch dafür, dass er seinen eigenen Geschmack manchmal hintanstellt, nennt Koch einen Grund: Es gibt oft keinen anderen Ort, wo man diesen Künstlern zuhören, wo man sie auch nur kennen würde.

Dass BuschFunk 25 Jahre nach seiner Gründung noch besteht, obwohl Koch nie einen Kredit aufnahm und keine Fördermittel beantragt hat, ist ein kleines Wunder. Noch erstaunlicher sind aber die Geschichten, die der bärtige Gründer über seinen Weg zu erzählen weiß. Es geht schon damit los, dass Koch sich just am Tage des Mauerfalls mit seinem Studienfreund Andreas Müller zum Ideensturm zusammensetzte. Beide hatten in Leipzig Kulturwissenschaften studiert, jetzt arbeitete Müller bei der Konzert- und Gastspieldirektion, und Koch war, nachdem er jahrelang das Kulturprogramm in der Leipziger Moritzbastei organisiert hatte, als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Akademie der Künste gelandet. »Analysen schreiben und so was«, sagt er heute, »das war aber überhaupt nicht mein Ding«. Der Drang nach Veränderung im eigenen Berufsleben fiel zusammen mit der Ahnung, dass im ganzen Lande bald nichts mehr so sein würde, wie es war. »Auch viele Künstler waren verunsichert«, sagt Koch, »und es ging uns darum, eine Stelle zu schaffen, an der man sich gegenseitig bei den Händen nimmt und gemeinsam neue Kräfte schöpft«.

Am 13. Dezember 1989 stellten sie beim DDR-Kulturministerium den Antrag auf Gründung eines eigenständigen »Büros für zeitgenössische Kunst«. Bewilligt wurde der Antrag zwar nie, aber immerhin erhielten sie eine Eingangsbestätigung, die sie freimütig als grünes Licht interpretierten. Koch: »Für uns war das die ideale Konstellation. Die BuschFunk-Gründung war zwar halblegal, aber da das Ministerium davon wusste, haben wir es nicht heimlich gemacht. Wir konnten vorsichtig beginnen.«

Genau genommen lässt sich der Beginn allerdings schon ein paar Wochen vordatieren - und nicht unbedingt als vorsichtig bezeichnen. Kochs erster Weg nach Westberlin führte nämlich in eine Kneipe, in der er den Renft-Texter Gerulf Pannach und den Dichter Jürgen Fuchs traf, die 1977 gemeinsam mit Christian Kunert aus der Stasihaft in den Westen ausgewiesen worden waren. Aus diesem Treffen entstand das erste BuschFunk-Programm »Heiliger Strohsack - Pannach und Kunert in Leipzig«, drei ausverkaufte Abende in den Weihnachtstagen 1989.

Auch das Clownsduo Mensching & Wenzel war prägend für die Anfangszeit. Mit den beiden bestritt BuschFunk seine ersten Tourneen. Später kam es erst zur Auflösung des Duos, dann auch zum Bruch zwischen BuschFunk und Wenzel, der nun auf sein eigenes Label setzte. Koch ist froh, dass inzwischen »alles wieder gut ist zwischen uns«. Aber einen Wermutstropfen gibt es doch: Zur selben Zeit, zu der BuschFunk sein Fest feiert, spielt Wenzel im wenige Kilometer entfernten Kesselhaus - eine unglückliche Terminüberschneidung. »Sonst interessiert es mich nicht, was die anderen machen«, sagt Koch, »aber in diesem Fall geht es um einen sehr wichtigen Teil unserer Geschichte. Das ist doof gelaufen.«

Dass das Künstlerbüro bald auch zur Plattenfirma wurde, hat sich wie vieles in der BuschFunk-Geschichte aus Kochs Bereitschaft ergeben, sich kopfüber ins kalte Wasser zu stürzen. Nicht umsonst ist ein Brecht-Zitat zum Betriebsmotto geworden: »Um uns selber müssen wir uns selber kümmern.« Als 1990 die erste BuschFunk-Platte erschien, »Pour vous« von L’art de passage», ahnte Koch noch nicht, dass in seinem Hause einmal über 400 Alben veröffentlicht sein würden. Aber dann scheiterten 1991 seine Verhandlungen mit einem großen Label über einen Plattenvertrag für Gerhard Schöne am lieben Geld. Aus Schönes Frage «Warum machst du es dann nicht selbst?» wurde die BuschFunk-CD «Ich bin ein Gast auf Erden». 1992 lag dann eine Kassette von Gerhard Gundermann in Kochs Briefkasten, aus der das Album «Einsame Spitze» wurde - Auftakt einer Reihe von Gundermann-CDs.

Um die Platten zu den Leuten zu bringen, wurden Konzerte organisiert und ein Vertrieb gesucht. Es fand sich aber keiner. Für Koch der Anstoß, auch das in die eigenen Hände zu nehmen. Kreuz und quer fuhr er durch den Osten, um Plattenläden als Partner zu gewinnen. Über seinem Schreibtisch in den BuschFunk-Räumen in Prenzlauer Berg hängt - neben der goldenen Schallplatte, die das Label 2007 mit «Ostrock in Klassik» erhielt - noch heute eine DDR-Karte, auf der diese «Tankstellen» mit farbigen Punkten markiert sind. Später übernahm BuschFunk auch den Vertrieb von Produkten, die nicht aus dem eigenen Hause stammten. So hatte Koch die «Russendisko»-CDs von Wladimier Kaminer und Juri Gurzhy und zeitweilig die CDs von Ton Steine Scherben im Programm.

Als die Plattenläden den großen Ketten und später dem Onlinehandel wichen, war das für Koch das Startsignal zum Aufbau eines Direktversands, der hier «Konsum» heißt. Mit handgeklebten Briefen wandte man sich an die Leute, deren Adressen man auf den Konzerten gesammelt hatte. Heute funktioniert diese «Mailorder» per E-Mail. Die Mund-zu-Mund-Propaganda, die BuschFunk seinen Namen gab, sagt Koch, habe hier schon funktioniert, als es die «sozialen Medien» noch gar nicht gab. Werbung über Facebook oder Twitter zu senden, darauf will er weiterhin verzichten. Das würde zu viel Zeit fressen. Außerdem seien die BuschFunk-Kunden ohnehin nicht so sehr mit diesen Medien vertraut. «Wir sind auch ein Generationslabel», sagt Koch und meint Menschen zwischen 40 und 70.

Aber muss mann denn nicht mit der Zeit gehen, um auch in der Zukunft bestehen zu können? Koch: «Nee. Wir sind nicht modern, wir waren nie modern, und ich will auch nie modern sein. Modern ist man immer nur für eine bestimmte Zeit, die vergeht.»

25 Jahre BuschFunk - das Fest. 12.12., 19.30 Uhr, Postbahnhof Berlin

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