National mit Studentenausweis
Rechte Parteien in Europa treffen auch an den Hochschulen auf Sympathien
Die Teilnehmer von Demonstrationen des antiislamischen Pegida-Bündnisses in Dresden oder Proteste gegen Asylunterkünfte in vielen deutschen Städten werden gemeinhin dem nicht-akademischen Milieu zugerechnet. Doch trifft die Vermutung wirklich zu, dass Studenten bei solchen Aufmärschen eher nicht anzutreffen sind? Die rechtspopulistische »Alternative für Deutschland« (AfD) jedenfalls ist für manche Studierenden eine neue Option. Personen mit Hochschulabschluss stellen sieben Prozent der Wählerschaft, weitere acht Prozent haben Abitur. Ihr wichtigster Grund, AfD zu wählen: »Zukunftssorgen«.
Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass rechte Parteien erfolgreich um die Stimmen von Studenten werben. In Frankreich etwa erreichte die Front National (FN) bei der Europawahl 25 Prozent - 11 Prozentpunkte mehr als die sozialistische Regierungspartei und vier Prozentpunkte mehr als die konservative UMP. Nach und nach sickern die Ideen der Front National auch in die Universitäten ein - und zwar vonseiten der Studierenden. Abgesehen von traditionell rechten Hochburgen wie der Pariser Universität Panthéon-Assas war es früher verpönt und peinlich, sich an der Uni zu der rechtsnationalen FN zu bekennen. Heute verstecken Studenten ihre Unterstützung für deren Vorsitzende Marine Le Pen und ihre dumpfen xenophoben Ideen nicht mehr. Der Zeitung »Le Monde« zufolge waren 30 Prozent der FN-Wähler bei der Europawahl unter 35 Jahre alt.
Der Politologe Dominique Reynié weist darauf hin, dass FN früher vor allem bei normalen Auszubildenden stark vertreten war, während es jetzt eine wachsende Zahl von Hochschülern sind, die sich deklassiert fühlen. »In einem Land, das geschlossen ist für neue Generationen, die in das System eintreten wollen, finden die Ideen von FN offene Ohren an der Universität«, sagt er. Bei einem Wahlexperiment im März 2014, das die Politikwissenschaftlerin Camille Froidevaux-Metterie an 150 Studienanfängern der Jurisprudenz an der Universität Reims durchführte, wählte knapp ein Drittel FN. Zugleich werden die Plakate und Tags rechtsextremer Gruppen an bestimmten Unis wie Bordeaux, La Rochelle oder Toulouse sichtlich mehr. »Diese Generation hat den Schock vom 21. April 2002 nicht erlebt«, als Le Pen überraschend zur Stichwahl gegen Chirac stand. »Sie kennt weder die republikanische Welle noch den Elan der antifaschistischen Jugend. Sie werden erwachsen in einem Moment tiefer wirtschaftlicher und sozialer Krise«, so die Professorin.
Bisher sind Studenten keine wichtige Zielgruppe der FN, doch das wird sich ändern. Le Pen baut auf den studentischen Think-Tank »Collectif Marianne«, der auf seiner Webseite zu Themen wie selektiver Zugang und leistungsorientierte Stipendien Stellung bezieht. Schon bald will man im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2017 die Überzeugungsarbeit an den Universitäten intensivieren.
Die britische Unabhängigkeitspartei UKIP erreichte bei den Europawahlen fast 28 Prozent der Stimmen. Eine Umfrage der Studentengewerkschaft NUS ergab, dass acht Prozent der Studierenden bei den Unterhauswahlen im kommenden Mai UKIP wählen würden. Ihr Jugendverband Youth Independence wächst schnell und hat diesen Sommer die Mitgliederzahl von 2600 überschritten. Oft versuchen Studenten, wie zuletzt in Essex, die Plattform UKIP Students vom Campus zu verdammen wegen ihrer »rassistischen, homophoben und sexistischen Ansichten«. Doch in der Partei ist man zuversichtlich und wirbt mit der Ablehnung von Studiengebühren und sozial gerechten Bildungschancen weiter um studentische Stimmen.
In Österreich ist die rechtsgerichtete FPÖ an den Unis vergleichsweise wenig erfolgreich. Nach Angaben der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) sind die Wähleranteile gering. Das gilt auch für die Wahlen zu den Studentenparlamenten. Bei der letzen ÖH-Wahl in Salzburg etwa erzielte der Ring freiheitlicher Studenten (RFJ) lediglich 3,4 Prozent. In der Öffentlichkeit sind vor allem die deutschnationalen Burschenschaftler, der ideologische Kern der FPÖ und ihr Verbindungsglied zur Neonaziszene, aktiv. Die Burschenschaftler veranstalten seit Jahrzehnten mittwochs mit Kappe und Band in den Verbindungsfarben einen »Couleurbummel« an der Universität Wien. Ein Verbot konnte die Wiener ÖH nicht durchsetzen.
In Flandern ist die antieuropäische rechtsextreme Partei Vlaams Belang für Studierende kaum von Belang. Um so mehr die Neu-Flämische Allianz NV-A, die mit 20 Prozent aller Stimmen bei den Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres den Sieg davontrug. Unter Studenten, so ermittelte die Zeitung »De Morgen«, vereint die NV-A mit der Parole der Abspaltung von Belgien auf lokaler und nationaler Ebene zirka 23 Prozent der studentischen Stimmen auf sich.
Es ist jedoch schwer, »rechts« als politische Position in Flandern zu beurteilen, wie ein Gaststudent treffend umschrieb: »75 Prozent der Belgier wählen rechts, ob nun christdemokratisch, rechts-liberal, separatistisch oder nationalistisch. Anstatt stolz auf ihre kulturelle Diversität und ihr Land voller Perspektiven zu sein, sind sie irgendwie in nationalen Ängsten des 19. Jahrhunderts steckengeblieben.«
Und in Deuschland? Wie der ehemalige FDP-Politiker und jetzige Pressesprecher der AfD, Christian Lüth, mitteilte, hat die Partei zwar eine Jugendorganisation, ihre »Junge Alternative« ist aber an den Hochschulen noch nicht präsent. Das soll sich aber ändern.
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