Junger Türke nach Festnahme wegen Präsidentenbeleidigung wieder frei

16-Jährigem droht aber weiter mehrjährige Haftstrafe / Mehrere junge Demonstranten müssen für mehrere Monate in Haft

  • Lesedauer: 3 Min.

Ankara. Wegen Präsidentenbeleidigung ist in der Türkei ein Schüler festgenommen und zwei Tage lang im Gefängnis festgehalten worden. Medien berichteten am Freitag, die Justiz habe mit der Freilassung des 16-Jährigen auf eine Beschwerde von dessen Anwalt reagiert. Der Jugendliche war am Mittwoch in der zentralen Stadt Konya festgenommen worden, nachdem er auf einer Kundgebung Präsident Recep Tayyip Erdogan und dessen Partei AKP Korruption vorgeworfen hatte.

Es war das erste Mal, dass ein Minderjähriger in der Türkei wegen Präsidentenbeleidigung inhaftiert wurde. Die Polizei hatte Mehmet Emin Altunses in der Schule festgenommen. Die Opposition warf der islamisch-konservativen Regierung daraufhin vor, in faschistische Methoden abzugleiten. Auch in sozialen Netzwerken im Internet machte sich Empörung breit. Als der Anwalt Baris Ispir seine Beschwerde gegen die Haft einreichte, wurde er von hundert Kollegen aus Istanbul begleitet, die damit gegen die Maßnahme protestierten.

Im Verhör räumte Mehmet Medienberichten zufolge ein, Erdogan und dessen Partei Korruption vorgeworfen zu haben, bestritt jedoch Verbindungen zu einer politischen Partei. Als er am Freitag das Gerichtsgebäude von Konya verließ, wurde er von seinen Eltern in Empfang genommen, wie der Fernsehsender CNN-Türk berichtete. Trotz seiner Freilassung wird weiter gegen Mehmet ermittelt. Kommt es zum Prozess, drohen ihm bis zu vier Jahre Haft.

Vor rund einem Jahr hatte die türkische Staatsanwaltschaft umfassende Ermittlungen zu einem Korruptionsskandal im Umfeld Erdogans, der damals noch Ministerpräsident war, eingeleitet. Tausende Polizisten und Staatsanwälte wurden seitdem versetzt oder entlassen. Alle eingeleiteten Korruptionsverfahren gegen Getreue Erdogans wurden eingestellt.

Die Festnahme Mehmets folgte auf eine Verhaftungswelle von Journalisten, die für Medien des Erdogan-Rivalen Fethulla Gülen arbeiten. Auch dies nährte die Sorge, die Meinungsfreiheit in der Türkei werde immer stärker eingeschränkt.

Justiz verurteilt verletzten Gezi-Aktivisten

Ein junger Türke, der im vergangenen Jahr bei den Protesten im Gezi-Park in Istanbul folgenschwere Verletzungen erlitt, ist laut Medienberichten zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Wegen Widerstands gegen die Polizei bei einer anderen Demonstration verurteilte ein Jugendgericht den 17-jährigen Mustafa Ali Tonbul und vier seiner Freunde zu drei Monaten und zehn Tagen Gefängnis, wie türkische Medien am Donnerstag berichteten.

In Izmir, wo Tonbul lebt, hatte er an einer Demonstration zur Unterstützung der Gezi-Proteste teilgenommen. Zwei Wochen später wurde er in Istanbul durch einen Tränengaskanister lebensgefährlich verletzt. Unter den Folgen leidet er bis heute. Tonbul fuhr nach eigenen Angaben zu einem Konzert in Istanbul und begab sich »aus Neugier« zum Gezi-Park, wo im Mai und Juni 2013 Proteste gegen ein Bauvorhaben stattfanden. Bei dem massiven Polizeieinsatz gegen die Demonstranten wurde er durch einen Tränengaskanister der Polizei so schwer am Kopf verletzt, dass die Ärzte einen Teil seines Schädels entfernen mussten, um sein Leben zu retten. Im Krankenhaus blieb mehrmals sein Herz stehen und er lag wochenlang im Koma. Monatelang befand er sich auf der Intensivstation. Bis heute leidet er unter Anfällen sowie Gedächtnis- und Sprachstörungen.

Er werde sich weiter widersetzen, »selbst wenn das lebenslange Haft bedeutet«, zitierte die Zeitung »Milliyet« den Jugendlichen. »Ich hatte mit so einer Entscheidung gerechnet, aber was ich getan habe, war kein Verbrechen. Sie versuchen uns mit solchen Urteilen einzuschüchtern, aber ich habe keine Angst vor ihnen.« Bei den Polizeieinsätzen im Gezi-Park wurden acht Menschen getötet und tausende verletzt. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte löste landesweite Proteste gegen den damaligen türkischen Regierungschef und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aus. AFP/nd

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