Hoffen auf die AfD

Pegida und die Medien

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Gespenst geht um in der deutschen Medienlandschaft. Es hat viele Namen; manchmal nennt es sich Bärgida, Legida, Dügida oder Kögida, meist aber ist es unter der Bezeichnung Pegida bekannt. Kaum eine Ausgabe einer Tageszeitung, kaum ein Tag im Fernsehen kommt ohne irgendeinen Hinweis auf die Aufmärsche aus, die sich selbst als Bewegung bezeichnet, in Wahrheit aber eine Ansammlung ist von … ja, von was eigentlich? Von Rassisten, Islamfeinden, Rechtsradikalen, AfD-Anhängern, Verschwörungsphantasten, Politikverdrossenen, Wutbürgern, Menschen mit finanziellen Existenzängsten, Ex-Parteigängern der Union, denen die CDU zu wenig konservativ und zu sehr sozialdemokratisch ist?

Wahrscheinlich treffen all diese Zuschreibungen gleichermaßen auf Pegida zu. »Islamisierung« ist nur die Chiffre, unter der sich die Motive medienwirksam verkaufen lassen. Für Medienwissenschaftler gibt die derzeitige Berichterstattung über Pegida auf jeden Fall ein gutes Studienobjekt ab. Sie können daran zeigen, wie eine politisch randständige Gruppierung (die extreme Rechte) es schaffen kann, durch die Okkupation bürgerlicher Protestformen (»Montagdemo«) und Slogans (»Wir sind das Volk«) einen bestimmten Teil des bürgerlichen Spektrums für sich auf die Straße zu bringen und mit einer Minderheitenmeinung die öffentliche Debatte über Wochen zu bestimmen.

Dass Pegida seinen Ursprung in Dresden hat und und genau genommen nur dort wirklich erfolgreich eine größere Zahl von Menschen auf die Straße bringen kann, kommt nicht von ungefähr. Der Ort funktioniert aufgrund seiner mit historischer Bedeutung aufgeladenen Architektur (Frauenkirche) hervorragend als Kulisse und die kulturelle Bindung an die bürgerliche Demokratie nebst ihrer Parteien (einschließlich der SPD) ist hier wie überall in Ostdeutschland geringer als in Westdeutschland, entsprechend leichter fällt es rechten Gruppierungen hier, im Tarnmantel der bürgerlichen Anständigkeit aufzutreten. Pegida ist dabei selbst zu einer Chiffre geworden - dafür, wie weit die Erosion des politischen Spektrums bereits vorangeschritten ist und wie weit der Ausschluss eines Teils der Bevölkerung aus dem, was man gerne mit Mainstream umschreibt, mittlerweile geht. Landauf, landab sind die Leserbriefspalten der Zeitungen voll mit Zuschriften, in denen über die Berichterstattung der Medien geklagt wird, die als linkslastig klassifiziert werden.

Dieser Ausschluss ist allerdings in der Regel nur ein selbst so empfundener. Was in Dresden skandiert wird (»Lügenpresse«), ist zwar einerseits die mehr oder weniger gedankenlose Übernahme eines Kampfbegriffs der extremen Rechten, andererseits aber ein Symptom für eine Ablösung der Leitmedien Fernsehen und Print durch das Internet. In der digitalen Welt gibt es Pegida nämlich schon eine ganze Weile - weitgehend ungefiltert und durchaus mit Wirkung. In den Online-Foren, sozialen Netzwerken und auf Plattformen wie Youtube tobt schon seit längerem ein Aufstand der Wutbürger gegen die »gleichgeschalteten Mainstreammedien«, die angeblich allesamt im Dienste der politischen Klasse stehen und die im Bunde mit diesen aus reinem Eigennutz (Machterhalt, Profit) eine liberale Einwanderungspolitik betreiben und das Volk über die wahren Absichten der Regierenden in Berlin, Brüssel und Washington im Unklaren lassen. Zwischentöne gibt es hier selten, und wenn, dann gehen diese im Shitstorm gegen »das System« unter.

Es gab einmal eine Partei in Deutschland (West), die in der Lage war, just jenes Spektrum wieder ins bürgerliche Lager einzugliedern und damit machtpolitisch zu entschärfen - die CSU. Die Nachfolger von Franz-Josef Strauß schaffen das nicht mehr, zu sehr tummeln sich in den Augen von Pegida selbst in der CSU bereits Multikulturalisten und zu sehr sind in ihren Augen Seehofer und die Seinen Büttel der EU und der USA. Bleibt für Angela Merkel nur die Hoffnung, dass die AfD in die Bresche springt.

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