Mit Gott gegen Homosexuelle
In der Slowakei möchte eine Bürgerinitiative per Referendum westliche Einflüsse stoppen
4,4 Millionen Wahlberechtigte in der Slowakei sind am Samstag aufgerufen, ihre Stimme in einem »Referendum zum Schutz der Familie« abzugeben. Was sich zunächst so anhört, wie die Sicherung elementarer Familienrechte, zeigt sich alsbald als extreme Homosexuellenfeindlichkeit. Nicht wenige Beobachter argwöhnen, dass hinter der Initiative »Allianz für die Familie« (AZR) die katholischen Bischöfe des Landes stehen. Selbst die Unterstützung von Papst Franziskus schreiben sich die »Familienschützer« auf ihre Fahnen.
Viele Slowaken fragen sich, welchen Sinn das Referendum haben soll. Unter der Regierung Robert Ficos von der Partei Richtung Sozialdemokratie (Smer) war bereits im Vorjahr in der Verfassung festgeschrieben worden, dass die Ehe die »einzigartige Verbindung zwischen Mann und Frau« sei und geschützt werden soll. Bereits zwei Jahre zuvor hatte das Parlament in Bratislava einen Gesetzentwurf abgelehnt, nach dem es gleichgeschlechtlichen Paaren möglich sein sollte, sich als eheähnliche Lebensgemeinschaften eintragen zu lassen. Was in 70 Prozent des EU-Territoriums heutzutage Usus ist, in der konservativen Slowakei sei da Gott vor! Und genau dies ist die Absicht der AZR: Europäische Rechtsnormen sollen nicht Praxis werden und die nationalen Gesetze aushebeln. Bekommt die Allianz durch das Referendum hier Unterstützung, so sind gegenwärtigen und künftigen Regierungen die Hände gebunden, eine liberalere Politik zu fahren.
Für das Referendum sind drei Fragen zu beantworten:
1. Stimmen Sie zu, dass als Ehe keine andere Verbindung als die zwischen Mann und Frau angesehen werden kann?
2. Stimmen Sie zu, dass gleichgeschlechtlichen Paaren oder Gruppen von Menschen keine Adoption oder Erziehung von Kindern gestattet werden soll?
3. Stimmen Sie zu, dass Schulen von Kindern keine Teilnahme am Sexualkundeunterricht oder an Euthanasielektionen verlangen können, wenn ihre Eltern oder die Kinder mit dem Inhalt dieser Lektionen nicht einverstanden sind?
Fragestellungen, die deutlich von Homophobie und einem Konservatismus gekennzeichnet sind, der sich gegen jede Form moderner Aufklärung wendet. Drei von vier Slowaken sind in einer Kirchgemeinde eingeschrieben. Obwohl die katholische Kirche offiziell dementiert, hinter der Allianz für die Familie zu stehen, sind der AZR das Wohlwollen und auch die erhebliche finanzielle Unterstützung durch die Bischöfe sicher. Nach offiziellen Angaben sollen inzwischen 107 Nichtregierungs- und Sozialorganisationen die AZR seit deren Gründung im Dezember 2013 unterstützen. Auf ihrem Internetportal wirbt die AZR damit, dass sich auch Präsident Andrej Kiska und der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico am Referendum beteiligen werden - ohne allerdings zu sagen, wie die beiden Herren stimmen wollen.
Viele Intellektuelle und Kulturschaffende der Slowakei rufen jedoch dazu auf, das Referendum einfach zu ignorieren. Die Bewegung »Nejdeme« (»Wir gehen nicht«) erklärt, die Abstimmung sei geeignet, alten Hass, Vorurteile und Bedrohungen zu schüren. Ein solches Referendum sei angesichts der weltweit anerkannten Realitäten anachronistisch und rückschrittlich.
Die meisten Menschen in unserem Nachbarland rechnen allerdings damit, dass die Abstimmung bald vergessen sein wird. Um anerkannt zu werden, bräuchte das Referendum die Zustimmung von mindestens der Hälfte aller Wahlberechtigten. Zu den letzten Europawahlen beteiligten sich jedoch nur 13 Prozent der 4,4 Millionen Wähler, Umfragen zufolge scheint die Neigung, sich diesmal den Wahllokalen zu nähern, kaum größer zu sein. Die Polizei kündigte vorsorglich an, die Ordnung und Sicherheit des Abstimmungsverlaufs zu kontrollieren und zu garantieren.
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