Rekord im Schlachthof
8,2 Millionen Tonnen Fleisch verließen 2014 die Schlachthäuser
Rund ein Kilo Fleisch weniger pro Kopf landete 2014 auf den Tellern in Deutschland. Das hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) errechnet. Auf die Massentierhaltung hat diese Entwicklung bisher keinen Einfluss.
Gestern gab das Statistische Bundesamt bekannt: In deutschen Schlachthöfen wurde 2014 so viel Fleisch produziert wie nie zuvor. Insgesamt wurde 8,2 Millionen Tonnen Fleisch in gewerblichen Schlachtunternehmen hergestellt, das waren 102 800 Tonnen oder 1,3 Prozent mehr als 2013. Hauptgrund für den Zuwachs sind die steigenden Schlachtzahlen beim Geflügel, aber auch Rindfleisch- und Schweinefleisch erzielten ein Produktionsplus.
Hühner, Enten, Gänse und Puten erfreuen sich in Deutschland bereits seit einigen Jahren steigender Beliebtheit. 1,5 Millionen Tonnen wurden produziert, das waren erneut 69 500 Tonnen mehr als im Vorjahr (plus 4,8 Prozent).
An den Produktionsbedingungen bis zum Schlachthof kann das nicht liegen. So erhalten über 90 Prozent der Puten während der Mast Antibiotika. Erst kürzlich fand der BUND auf 88 Prozent der bei Discountern gekauften Putenfleischproben antibiotikaresistente Keime. Zudem wird für die besonders beliebte Putenbrust auf schnelle Gewichtszunahme gesetzt. Gesundheitliche Schäden bei den Tieren - bis hin zur Bewegungslosigkeit - werden dafür in Kauf genommen. Gleichzeitig führt die Massenhaltung dazu, dass bei ausbrechenden Krankheiten unzählige Tiere getötet werden müssen. Während der Geflügelseuche Ende 2014 wurden allein im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg 130 000 Puten gekeult. Rund einen Kilometer um den betroffenen Betrieb gab es 180 000 Geflügeltiere in 19 Betrieben.
Neben dem Zuwachs beim Geflügel wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auch wieder mehr Rinder geschlachtet, insgesamt 3,6 Millionen. Die Zahl der geschlachteten Schweine stieg 2014 um 0,2 Prozent auf 58,7 Millionen Tiere. Mit diesen Schlachtzahlen liegt Deutschland innerhalb Europas weiter ganz vorne. Gemessen an diesen Zahlen wurden mit 19 000 Tonnen vergleichsweise wenige Schafe und Lämmer geschlachtet. Ziegen- und Pferdefleisch lag bei knapp 2600 Tonnen.
Die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen sind für viele Beschäftigte nach wie vor miserabel. Zwar wurde im vergangenen Jahr ein zwischen den Arbeitgebern und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ausgehandelter Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt, an den Zuständen vor Ort hat sich besonders für Werkvertragsarbeiter aber nur wenig geändert. So häufen sich Berichte bei Beratungsstellen und Gewerkschaften, wie in den Schlachthöfen der Mindestlohn umgangen wird: mit Strafgeldern oder überhöhten Forderungen für Miete, Transporte, Arbeitskleidung oder Werkzeuge. Mehrere Fälle werden momentan vor den Arbeitsgerichten verhandelt. Matthias Brümmer, NGG-Geschäftsführer der Region Oldenburg-Ostfriesland, sagte auf der Agrarwende-Demonstration im Januar in Berlin, Arbeitnehmer würden in den Schlachthöfen »noch immer behandelt wie der letzte Dreck«. Das Problem seien die Kontrollen, erklärt NGG-Geschäftsführer für die Region Osnabrück, Bernhard Hemsing: »Wie kontrolliert der Zoll die Lohnabrechnung und die geleisteten Stunden, wie überprüft er die deutschen Arbeitszeitgesetze?«
Arbeiten im Schlachthof macht zudem krank. Darauf verweist eine aktuelle Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Angestellte in Schweine- und Geflügelställen sowie Schlachthöfen haben demnach ein deutlich erhöhtes Risiko, an den Atemwegen zu erkranken. Einzelne Arbeitsplätze in der Produktionskette würden eine »extrem hohe Belastung mit Stäuben und Keimen nach sich ziehen«, erklärte Projektleiter Gunter Linsel gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung« und forderte Änderungen beim Arbeitsschutz.
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