Nächste Ausfahrt Grexit?
Berlin versperrt sich einer alternativen Krisenpolitik und droht also mit dem Joker: dem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro
Was bisher nur für eine Drohkulisse gehalten wurde, um Griechenland auf (deutsche) Linie zu bringen, scheint für Berlin kein Tabu mehr: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Bereits im Januar gab Angela Merkel zu Protokoll, dass sie sich einen Euro ohne Griechenland vorstellen könnte. Der Wirtschaftskolumnist Norbert Häring hält es für möglich, dass die derzeitige Politik Berlins auf einen »Nord-Euro« hinausläuft: ohne Griechenland, Zypern, Portugal, Spanien und Italien - aber mit Frankreich und unter deutscher Hegemonie.
Es herrscht eine paradoxe Situation: Ein Ausstieg aus dem Euro ist rechtlich nicht geregelt, also eigentlich nicht möglich. Griechenland könnte nur zur Drachme zurückkehren, indem es die Europäische Union verlässt. Das will in Griechenland kaum jemand - auch SYRIZA nicht.
Berlin versperrt sich einer alternativen Krisenpolitik und droht also mit dem Joker: dem Grexit. Was kann man sich darunter vorstellen? Eine schnelle Einführung der Drachme ist kaum möglich. Dass die griechische Zentralbank die Euroscheine über Nacht mit einem Stempel versieht und so eine neue Währung einführt, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich.
Wenn die Hilfszahlungen der Troika ausgesetzt werden, was Wolfgang Schäuble de facto angedroht hat, wäre ein Bankrott Griechenlands die unmittelbare Folge - wenn Athen sich nicht woanders Geld besorgen kann. Dass auch die EZB den Geldhahn ganz zudreht, danach sieht es bisher nicht aus. Auch SYRIZA scheint von der Einschätzung geleitet zu sein, dass die EZB Griechenland in der Eurozone halten will. Der Ökonom Jannis Milios sagt: »Wenn ein Land die Währungsunion verlassen muss, zerfällt die Währungsunion, egal wie klein das Land ist. Die Reaktion der Finanzmärkte wäre nicht beherrschbar. Das wäre wie ein neues Lehman Brothers im Quadrat.«
Ohne Geld kann auch der Staat nichts mehr bezahlen - weder Zinsen noch Gehälter für Staatsbedienstete. Aber er kann Schuldverschreibungen ausgeben. Sie könnten die Geldfunktionen übernehmen und sich zu einer Parallelwährung entwickeln. Die »neue« Währung würde vor allem gegenüber dem Euro massiv abwerten. Die Schulden Griechenlands würden aber weiterhin in Euro laufen. Damit käme die neue Währung und deren Abwertung einer gewachsenen Schuldenlast gleich.
Die Wirtschaft wäre von dem in der Zirkulation befindlichen Geld abhängig. Es dürfte aber kaum verliehen werden. Rechnungen würden nicht bezahlt und die Wirtschaft völlig einbrechen. Die Verarmung der Bevölkerung setzt sich fort. Zudem würden sich alle Importe verteuern und damit die Inflation anfeuern.
Eine Abwertung der eigenen Währung, wie sie südeuropäische Länder in den 1970er Jahren vornahmen, führt nicht unbedingt zu weniger Konkurrenzdruck. Und nicht zuletzt wäre Griechenland weiterhin von der Geldpolitik der EZB abhängig wie alle europäischen Länder vor dem Euro von der Politik der Bundesbank, so zum Beispiel beim Zinsniveau, das ansteigen müsste, um die Kapitalflucht zu verhindern. Diese Hochzinspolitik würde die griechische Wirtschaft weiter abwürgen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.