Estland: Wirtschaftsliberale gewinnen die Wahl
Regierungschef Rõivas muss sich aber Partner suchen / Bisheriges Regierungsbündnis verliert Mehrheit / Linksgerichtete Zentrumspartei zweitstärkste Kraft
Berlin. Bei den Parlamentswahlen in Estland erzielt die regierende wirtschaftsliberale Reformpartei das beste Ergebnis und dürfte erneut den Regierungschef stellen. Allerdings verliert das bisherige Regierungsbündnis seine Mehrheit. Die Partei von Regierungschef Taavi Rõivas kam auf 30 von 101 Sitzen und bleibt trotz eines Verlusts von drei Mandaten im Vergleich zu 2011 stärkste Kraft in der Volksvertretung Riigikoku. Dahinter folgt die linksgerichtete oppositionelle und prorussische Zentrumspartei (27 Sitze) vor den mitregierenden Sozialdemokraten (15 Sitze), die vier Mandate verloren. Dies gab die Wahlkommission in Tallinn am späten Sonntagabend bekannt.
Mit den Stimmenverlusten hat die bisherige Mitte-Links- Regierung keine absolute Mehrheit im Parlament mehr. Größte Gewinner waren die Konservative Volkspartei (8 Sitze) und die Freie Partei (7 Sitze). Die beiden neugegründeten Gruppierungen schafften auf Anhieb den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Das nationalkonservative Wahlbündnis IRL verlor 9 Sitze und stellt künftig 14 Abgeordnete. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,7 Prozent.
Der Ukraine-Konflikt hatte im Wahlkampf in der ehemaligen Sowjetrepublik Estland eine wichtige Rolle gespielt. Es wurden Sicherheitsängste diskutiert. Daneben spielten vor allem die Wirtschafts- und die Sozialpolitik eine Rolle. Während die bisherige Regierung unter Rõivas auf eine stärkere NATO-Präsenz in Estland drängt, plädiert die Zentrumspartei für mehr Dialog mit Moskau.
Regierungschef Rõivas sagte am Wahlabend im Fernsehen, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen. Einzig eine Kooperation mit der Zentrumspartei schloss er aus. Deren Vorsitzender Edgar Savisaar hat die größte Zustimmung in der russischen Minderheit, die etwa ein Viertel der rund 1,3 Millionen Einwohner ausmacht.
Estland gehörte wie Lettland und Litauen zur Sowjetunion. Nach deren Zerfall traten die baltischen Staaten im Jahr 2004 sowohl der EU als auch der Nato bei. Das 1,3 Millionen Einwohner zählende Estland ist seit 2011 auch Mitglied der europäischen Währungsunion. Agenturen/nd
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