Polierte Mamas
Das Familienleben vieler Bloggerinnen findet in stilisiertem Hochglanz statt. Realistisch ist das nicht.
»Ungeduscht, das flusige Etwas auf meinem Kopf verdient den Namen Frisur nicht und vom Zustand der Wohnung ganz zu schweigen! Man ist übermüdet und bereit, wirklich alles für ein bisschen Schlaf zu tun. Stattdessen: ab in die Küche Frühstück machen, um es trotz des frühen Aufstehens irgendwie halbwegs sortiert pünktlich ins Büro zu schaffen.«
Diese, meine Erfahrung im Alltag mit Kindern passt so gar nicht zu dem Bild, das in vielen Blogs zum Thema Leben mit Kindern im Internet gezeichnet wird.
Blogs wie »ohhhmhhh.de« zeigen ein ästethisch hoch stilisiertes Familienleben: aufgeräumte Wohnungen, ausgeschlafene Eltern, nachhaltiges Essen und ein herzenswarmes Familienglück. Es wird gebastelt, genäht, dekoriert und gestrickt. Weitere Themen sind Hochzeit, Shopping und Reisen.
Geschrieben von Frauen sind die Blogs ein ideales Umfeld für Werbung. Daher finden diskursive Themen wie Depression, Frustration oder Wut keinen Platz. »Die Inhalte und Fotos, die sie drumherum präsentieren, sind nichts anderes als eine verjüngte Form der Homemaking-Bewegung, die in den USA seit Jahrzehnten mit Publikationen wie Good Housekeeping oder den Zeitschriften von Martha Stewart begleitet wird« , so die Autorin Nina Scholz in ihrem Essay »Immer dasselbe Strickmuster«. » «Ein schales Gefühl stellt sich ein, denn das eigene Leben läuft womöglich ja nicht so perfekt», so Scholz .
«Ich zelebriere mein Muttersein, meine Familie, Reisen, gutes Essen und die einfachen Freuden des Lebens», schreibt beispielsweise die New Yorker Bloggerin (lovezata.com) Naomi Davis über sich selbst.
Nur: Wer bezahlt eigentlich das schöne Leben ? «Mir ist klar geworden, dass eine Balance zwischen Arbeit, Leben und Kindern ein großer Mythos ist», so die verheiratete Davis. Sie will «priorisieren». Im Klartext: Der Mann verdient das Geld.
Die Autorin Nina Scholz findet solche Blogs problematisch. Sie ist der Meinung, dass die Autorinnen alte Rollenbilder zementieren würden.
Sonja Lehnert, sie bloggt bei «Mama-notes.de», kann die Kritik von Nina Scholz nicht ganz nachvollziehen. Zwar ist sie auch der Meinung, dass «Mama-Blogs» eine «Genderrolle zementieren», gleichzeitig fragt sie, warum überhaupt ein «politischer/feministischer Anspruch» an diese Blogs erhoben wird. «Ich gebe zu, es gibt Blogs, Lifestyle- sowie Mamablogs, die ihre Welt unfassbar aufgeräumt, hübsch, perfekt und pädagogisch einwandfrei und wertvoll darstellen. Auch ich (gerade ich?) empfinde dabei einen Druck», so Lehnert weiter.
Dass es auch frei von Inszenierung geht, zeigen Blogs wie «Mama-arbeitet.de» der Konstanzer Journalistin Christine Finke. Pointiert und ehrlich berichtet sie aus ihrem Alltag als alleinerziehende Mutter und lässt dabei auch politische oder berufliche Fragen nicht aus.
Im Blog «Femilyaffair.de» schreiben die jungen Eltern über die Erfahrung, die Erziehungsarbeit komplett gleichberechtigt aufzuteilen. Sie teilen ihre Erfahrungen fernab jeder idealisierende Inszenierung. Der Mehrwert für den Leser entspringt der Ehrlichkeit der Autoren. Katja Eichholz
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