Die feministische Hure
Stephanie Klee setzt sich für die Rechte der Prostituierten ein. Nicht jeder Frauenrechtlerin gefällt dies
Für Stephanie Klee fing alles mit der Frauenbewegung an. »Ich bin zu den ersten Demos gegangen, bei denen es um die Einrichtung von Frauenhäusern ging. Wir haben uns damals schon für sexuelle Selbstbestimmung eingesetzt«, erzählt die 53-Jährige. Erst später sei sie zur Prostitution gekommen. »Für mich war es dann eine logische Konsequenz, die Stärke, die ich in der Frauenbewegung gewonnen habe, auch bei der Prostitution einzusetzen«, erzählt sie ruhig. Seit Jahrzehnten ist Klee Sexarbeiterin und kämpft für ihre Rechte.
Doch bringt ihr das Engagement bei Weitem nicht nur Freunde ein. Vor allem nicht in der Frauenbewegung. Die wohl bekannteste Feministin Deutschlands, Alice Schwarzer, fordert lautstark ein Verbot der Prostitution. »Frauen, die sich prostituieren, geht es ums Geld, meist haben sie keine andere Wahl. Freiern geht es um Machtausübung«, schreibt Schwarzer in ihrem Blog. Auf der feministischen 8.-März-Demonstration vergangenes Jahr in Berlin kam es deswegen zu einem Eklat. Auf der einen Seite sozusagen die Alice-Schwarzer-Fraktion, auf der anderen Seite Stephanie Klee und ihre Verbündeten.
Auch für die diesjährige Frauentagsdemonstration rechnet Klee damit, dass sie von Prostitutionsgegnerinnen angegriffen wird. »Sie wollen mir meine Lebensexistenz, das was ich gerne mache, entziehen«, erklärt Klee. Für sie hat dies weniger mit sexueller Selbstbestimmung zu tun als vielmehr mit Macht. »Sie glauben, in der Position zu sein, entscheiden zu können, was für mich gut und richtig ist.«
Eine Sache, die Klee besonders stört, ist das Bild, das von Prostituierten gemeinhin gezeichnet wird. »Nämlich als willenlose Wesen, die keinerlei Selbstverantwortung und Selbstbestimmung haben«, sagt sie. »Und das entspricht nun wirklich nicht meinen Erfahrungen.«
Dabei hat Klee jahrelang für ihre Rechte als Sexarbeiterin gekämpft. Zuerst ging es um die Abschaffung der Sittenwidrigkeit des käuflichen Sex. Im Dezember 2001 hob der Bundestag diese mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und PDS auf. Huren können seitdem ihr Entgelt einklagen und einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Noch immer ist die studierte Sozialarbeiterin für die Rechte der Sexarbeiterinnen aktiv. Sie veröffentlicht Broschüren und Artikel, arbeitet mit der Deutschen AIDS-Hilfe zusammen, ist Vorsitzende des Vereins »move« zur Bildung und Kommunikation in der Sexarbeit und nimmt an Tagungen teil wie an dem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mitveranstalteten Care-Revolution-Kongress im vergangenen März.
So sieht Klee ihre Arbeit auch als Teil dieser sogenannten Care-Arbeiten, der unsichtbaren Pflege- und Sorgearbeit, die Frauen tagtäglich verrichten. »Für mich war Prostitution deswegen von Anfang an Teil dieser unsichtbaren Arbeit, die mit Rechten und im Rahmen des Feminismus auch mit Respekt ausgestattet werden musste«, erzählt die Sexarbeiterin, die sich mittlerweile weniger als Prostituierte als vielmehr als Sexualassistentin sieht. In Pflege- und Altenheimen arbeitet sie nun mit Senioren sowie Behinderten.
Dass es auch Schattenseiten im Gewerbe gibt, die Arbeit als Prostituierte hart und schlecht bezahlt sein kann, sieht auch Klee. Doch Verbote würden die Situation noch erschweren, die Frauen viel mehr der Gefahr von Ausbeutung, Gewalt und Vergewaltigung ausgesetzt. Stattdessen fordert sie etwa klare Mindeststandards und Gütesiegel für Bordelle.
Derweil berät die Sexarbeiteraktivistin andere Prostituierte. Sie zeigt ihnen Strategien, wie sie auch in schweren Situationen ihre Autonomie und Selbstbestimmung behalten, wie sie sich gegen Gewalt wehren können oder dagegen, wenn ein Freier ungeschützten Geschlechtsverkehr oder Sexualpraktiken fordert, die sie nicht ausüben wollen. »Empowerment«, also Ermächtigung, nennt Klee dies.
Von den gegenwärtigen Plänen der Bundesregierung zur Reform des Prostitutionsgesetzes hält Stephanie Klee indes wenig. »Wenn das in ein Gesetz mündet, ist das für jede Frau, die in der Prostitution mit einer Gewaltsituation konfrontiert wird, katastrophal«, sagt sie. Diese Sexarbeiterinnen würden dann noch weniger Unterstützung erfahren.
Eine geplante Gesetzesänderung empört sie sogar richtig: »Ich soll demnächst wie eine Kriminelle registriert werden. Niemals! Das kann sich der Staat abschminken.« Statt Anfeindungen würde sich Klee in dieser Situation Unterstützung durch die Frauenbewegung wünschen. Nach dem Motto: »Wir sind Eure Schwestern, wir stehen an Eurer Seite.« So sei zumindest die alte Frauenbewegung gewesen.
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