Abwesenheit, aber kein Mangel

Die SYRIZA-geführte Regierung hat keine Ministerin. Dennoch ist SYRIZA in der Frauenfrage die fortschrittlichste Partei Griechenlands

  • Anke Stefan
  • Lesedauer: 3 Min.

Beim SYRIZA-Bashing ist jedes Mittel recht: Auch Zeitungen, in deren Chefredaktionen es nicht gerade von Frauen wimmelt, griffen begierig eine Kritik der spanischen Empörten-Partei PODEMOS auf. Das mit SYRIZA solidarische Linksbündnis hatte beklagt, dass unter den 13 Ministern der neuen griechischen Regierung keine einzige Frau vertreten ist. Symptomatisch für den Umgang der Linkspartei mit dem »Nebenwiderspruch«?

Schon ein Blick auf die gesamte Zusammensetzung der 41-köpfigen Regierung vermag den Eindruck zu relativieren. Denn immerhin finden sich auf den wichtigen Posten der mit eigenem Arbeitsbereich und Etat ausgestatteten Vizeministerien insgesamt sechs Frauen. Knapp ein Siebentel Frauenanteil ist sicher keine Bravourleistung, doch die sind in Griechenland ohnehin selten, wenn es um die Beteiligung des »schwachen Geschlechts« an der Ausübung von Macht geht. In der Vorgängerregierung unter Antonis Samaras waren unter 42 Kabinettsmitgliedern ganze vier Frauen. Nur eine von ihnen stand dann auch an der Spitze eines der damals noch 19 Ministerien.

Seit Erlangung des allgemeinen aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen in Griechenland im Jahr 1956 hatte nur eine einzige weibliche Griechin jemals die Führung einer der im Parlament vertretenen Parteien inne. Aleka Papariga, Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), wurde allerdings nach 22 Jahren in dieser Position auf dem Parteitag 2013 wieder von einem männlichen Genossen abgelöst.

Auch das griechische Parlament ist von jeher männlich dominiert, wobei man die Schuld hier nicht einseitig den Parteien anlasten kann. Denn es sind die Wählerinnen und Wähler, die mittels Kreuzen bei den einzelnen Kandidaten und Kandidatinnen die personelle Zusammensetzung von 250 der 300 Abgeordneten festlegen. Lediglich die übrigen 50 werden analog zum Stimmanteil der einzelnen Parteien anhand von landesweiten Listen in Reihenfolge der Aufstellung ausgewählt.

Hier achtet SYRIZA als einzige im Parlament vertretene Partei denn auch tatsächlich auf den Geschlechterproporz. Abwechselnd wurde je ein Platz männlich und ein Platz weiblich besetzt. Und auch insgesamt schneidet SYRIZA bei der Verteilung seiner Mandate nicht schlecht ab: Insgesamt 44 der 149 Abgeordneten sind Frauen. Mit etwas weniger als einem Drittel macht die Linkspartei damit klar den besten Schnitt unter den sieben im Parlament vertretenen Parteien. Auf die anderen sechs entfallen nämlich bei 151 verbleibenden Sitzen gerade einmal 25 der insgesamt 69 Parlamentarierinnen, keine dieser Parteien erreicht auch nur einen Frauenanteil von 25 Prozent.

Die hohe Zahl an SYRIZA-Parlamentarierinnen dürfte hauptsächlich der Tatsache geschuldet sein, dass die Linkspartei über eine relativ hohe Anzahl von Kandidatinnen auf ihren regionalen Wahllisten verfügte. Denn Umfragen belegen zwar, dass 39,1 Prozent der Wählerinnen, aber nur 33,8 Prozent der Wähler SYRIZA am 25. Januar ihre Stimme gaben und der Partei damit zu insgesamt 36,3 Prozent verhalfen. Es ist empirisch jedoch keineswegs belegt, dass Frauen in Griechenland die eigenen Geschlechtsgenossinnen auf den Listen bevorzugen. Um den Einfluss von Frauen zumindest in den eigenen Reihen zu fördern, werden auch die Mandate des Zentralkomitees von SYRIZA abwechselnd mit dem Mann und der Frau besetzt, auf die oder den jeweils die meisten Stimmen entfielen.

Darüber hinaus kann SYRIZA auch an anderer Stelle auf Frauen in hohen Ämtern verweisen. So wurde mit Zoi Konstantopoulo als Parlamentspräsidentin eines der drei höchsten protokollarischen Staatsämter mit einer SYRIZA-Funktionärin besetzt. In der Geschichte des griechischen Parlaments hatte diese Position vorher nur einmal eine Frau inne, die Nea-Dimokratia-Abgeordnete Anna Benaki-Psarouda von 2004 bis 2007.

Das derzeit prominenteste weibliche Mitglied von SYRIZA ist aber die auch schon mal als Nachfolgerin von Alexis Tsipras gehandelte Rena Dourou. Sie hat es bei den Kommunalwahlen im vergangenen Mai ins Amt der Präfektin der größten, die Hauptstadt Athen einschließenden Provinz Attika geschafft. Insbesondere vor der vorgezogenen Parlamentswahl im Januar war sie auch von internationalen Medien intensiv befragt worden - nicht zu ihrem Geschlecht, sondern dazu, wie SYRIZA praktisch anders Politik macht.

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