Peinliche Penunze für Parteienklüngel

Finanzskandal in Chile macht der politischen Rechten schwer zu schaffen

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.
Viel Geld, viel Ärger und eine irritierte Präsidentin: Die politische Gemengelage in Chile ist derzeit alles andere als prickelnd.

Chiles Bevölkerung erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle. Da ist zum einen ein Skandal, der ein erschreckendes Ausmaß an Bestechung, Korruption und Steuerbetrug offenbart, den viele im Land nicht für möglich gehalten hätten. Und zum anderen agiert eine Justiz, die - entgegen der allgemeinen Erfahrung - tatsächlich damit aufräumen will.

Was vor einigen Jahren als kleine Steuerbetrügerei wie ein Schneebällchen ins Rollen kam, löste eine Lawine aus, die Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, verbunden mit Bestechung und Bestechlichkeit, ans Tageslicht brachte. Penta-Gate kennt heute in Chile jedes Kind.

Im Oktober 2012 fiel dem chilenischen Fiskus auf, dass 122 Steuerpflichtige in den Jahren 2007 bis 2010 unrechtmäßige Steuerrückzahlungen erhalten hatten. Ein Jahr später erhob das Finanzamt Anklage gegen die dafür zuständigen und mittlerweile entlassenen Steuereintreiber. Einer der Angeklagten schrieb kurz vor seinem Tod dem zuständigen Staatsanwalt, er habe Verbindungen zur Penta-Gruppe, die damit erstmals ins Zwielicht rückte. Die Penta-Gruppe ist eine der größten chilenischen Finanzholdings, die von Banken über Immobilienfirmen, Gesundheitseinrichtungen, Versicherungen und Bildungsträger so ziemlich alles unter ihrem Schirm hat, was an Serviceleistungen Rendite verspricht. Ihr Wert wird auf mindestens 20 Milliarden Dollar geschätzt, manche Quellen geben 30 Milliarden Dollar an. Ihren Aufstieg begann die Gruppe in der Pinochet-Diktatur (1973-1990), als die staatlichen Rentenversicherungen, Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser privatisiert wurden.

Im Juli 2014 wurde der damalige Geschäftsführer Hugo Bravo entlassen. Einen Monat später erklärte er den erstaunten Beamten des Öffentlichkeitsministerium, dass die Penta-Eigentümer Carlos Alberto Délano und Carlos Eugenio Lavín ihn gezwungen hätten, gefälschte Honorarabrechnungen auf die Namen ihrer Ehefrauen und einiger Politiker auszustellen. Bei der anschließenden Durchsuchung der Büroräume wurden erste Beweise sichergestellt.

Weitere Ermittlungen ergaben jedoch schnell, dass Penta nicht nur Honorargeschenke zur persönlichen Bereicherung oder für Wahlkampfzwecke machte, sondern als Gegenleistung Steuerrückzahlungen und Hilfe bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe erhielt. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss: »Es wurden Quittungen und Rechnungen für Dienste ausgestellt, die nicht geleistet wurden, in einigen Fällen waren es Familienangehörige der Angeklagten, in anderen ihre Sekretäre. Unrechtmäßige Gelder, die in einigen Fällen für politische Kampagnen um öffentliche Ämter benutzt wurden.« Sie erstattete Anzeige gegen zehn leitende Firmenangehörige, darunter Délano und Lavín.

Am vergangenen Samstag versammelte sich die Nation vor den Fernsehbildschirmen, um live zu erleben, ob Richter Juan Escobar die Angeklagten in U-Haft nehmen würde. Tatsächlich ließ er sechs Angeklagte vorsorglich in Gewahrsam nehmen. Délano und Lavín gar mit der Begründung, »die Freiheit dieser Angeklagten stellt eine Gefahr für die Sicherheit der Gesellschaft dar«. In Chile eine juristische Sensation.

Dass Délano und Lavín der rechtskonservativen UDI mehr als nahestehen, ist kein Geheimnis. Die Auswertungen von E-Mails der beiden führten die Ermittler zu mindestens zehn Empfängern von dubiosen Parteispenden für den Wahlkampf um die Kongress- und Präsidentschaftswahl 2013. Acht davon gehören der UDI an - darunter zwei Senatoren und eine Abgeordnete -, ein Empfänger ist prominentes Mitglied der gemäßigteren rechten Renovación Nacional (RN).

Chiles politische Rechte befindet sich seit Wochen im freien Fall. Vor allem die pinochettreue Rechtsaußenpartei Unión Democrática Independiente ist vom Skandal gebeutelt. Am Mittwoch trat der UDI-Vorsitzende Ernesto Silva zurück.

Auf der Liste steht aber auch Andrés Velasco, der bei den Vorwahlen des Mitte-Links-Bündnisses Nueva Mayoría zur Präsidentschaftskandidatur gegen die später siegreiche Michelle Bachelet unterlag, in deren erster Amtszeit von 2006 bis 2010 Finanzminister war und somit oberster Dienstherr des Finanzamtes.

Vier Monate hat die Staatsanwaltschaft nun Zeit für weitere Ermittlungen. Dann wird das Hauptverfahren eröffnet und auch entschieden, wie mit den vermeintlichen Honorarempfängern umzugehen ist. Ob die sechs Angeklagten dann noch in U-Haft sitzen, ist offen, alle haben Berufung eingelegt.

Präsidentin Bachelet hat am Dienstag die Bildung eines 16-köpfigen Expertenrates angekündigt, der spätestens in 45 Tagen Vorschläge unterbreiten soll, wie zukünftig Korruption und Einflussnahmen unterbunden werden können.

Dass die Präsidentin damit in die Offensive kommen will, hat einen einfachen Grund. Bachelet selbst hat durch ihren Sohn und ihre Schwiegertochter einen Finanzskandal am Hals. Sohn und Schwiegertochter haben auf wundersame Weise einen Millionen-Dollar-Kredit bei einer Bank erhalten, davon ein großes Gelände gekauft und später mit Millionengewinn weiterverkauft.

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