Drohnen, Raketen und große Jungs
Die Ausstellung »Boys and their Toys« im Kunstraum Bethanien setzt sich mit der Ästhetik und Repräsentation von Krieg und Waffen auseinander
Ein aufblasbarer Militärhubschrauber mit Haifischzähnchen in Kuscheloptik zum Draufsetzen und Losfliegen, ein durchsichtiger Mini-Stealth Fighter aus Kunststoff, portable silberne Aufblasdrohnen - das sind nur einige der Exponate, die seit Ende vergangener Woche in der Ausstellung »Boys and their Toys« im Kunstraum Bethanien zu sehen sind. Es geht um die Präsenz von Waffen, im Alltag und in der Kunst - beispielsweise in den »Air Force Series« von Musquiqui Chihying. Mit Stadtmodellen zum Kaputthauen, Malereien von Drohnen und schwarzen Waffenskulpturen, die aus den Wänden kriechen, werden Waffenhandel, Kriegsschauplätze und Panzerspielzeug im Kinderzimmer thematisiert.
»Jungs werden nicht erwachsen, sondern nur groß« steht an der Wand zwischen den Ausstellungsräumen. Die Wände zieren Hubschrauber und Soldaten im Scherenschnitt und actionreiche Kriegssituationen im Comic-Stil. Die Bemalung von Henrik Schrat ist eine Hommage an Bertha von Suttner, die Pazifistin und Friedensnobelpreisträgerin. Die Fotoserie »World of Warfare« von Julian Röder zeigt Szenen einer Waffenschau, bei der ein kleiner Junge am Steuer eines Panzers posiert und internationale Militärs zwischen Raketen flanieren, als wären sie Verliebte auf einer Hochzeitsmesse. Berliner Künstler, auch von der Universität der Künste Berlin und der Kunsthochschule Weißensee, setzen sich hier spielerisch mit der Allgegenwärtigkeit von Krieg auseinander.
Sahar Zukerman, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung, meint: »Waffen sind irgendwie auch Spielzeug.« Und Männer entwickeln sich nicht weiter, sondern wechseln nur die Spielsachen, müsste man hinzufügen. Die Ausstellung soll zur Reflexion anregen über die Ambivalenz von Macht und Schönheit, von Stärke und Zerbrechlichkeit, von Kriegsschauplätzen als Medienmagnet und Katastrophen als Kulturkatalysatoren - der spielerische Umgang damit als Provokation.
Der Roman »Die französische Kunst des Krieges« von Alexis Janni hat Stepháne Bauer, Kurator und Leiter des Bethanien, zu »Boys and their Toys« inspiriert. Der Krieg ist der Vater aller Dinge, wird Heraklit darin zitiert. Den beiden Kuratoren wurde oft vorgeworfen, Kunst von Männern und für Männer zu machen. »Da haben wir uns erst recht entschieden, Männerkunst zu machen«, so Bauer. Der Arbeitstitel »Männerkunst« ist dann später, während die Ausstellung vorbereitet wurde, in »Boys and their Toys« umbenannt worden. Zu Beginn waren auch Künstlerinnen für die Ausstellung vorgesehen. Die Kuratoren haben sich dann jedoch dafür entschieden, nur männliche Künstler auszustellen und zusammen mit dem Titel auch Männlichkeitskonstruktionen zu einem Thema der Ausstellung zu machen. Sie stellen auch die Frage: Was sind »Männerthemen«, was ist »Männerkunst« und vor allem, was ist »Jungs-Spielzeug«? Heinrich Dubel bringt es in seinem Ausstellungsstück »Erkenntnishubschrauber« auf den Punkt: Dutzende großer und kleiner bunter Spielzeug-Hubschrauber befinden sich in einer Glasvitrine und werden bewundert. Erwachsenen männlichen Besuchern entlocken sie einen Ausruf wie: »Oh, guck mal, den hatte ich auch«. Im Zimmer nebenan zeigt Dubel dokumentarische Videoaufnahmen von echten Militärhubschraubern, die auf Personen oder Autos feuern.
»Boys and their Toys« lotet die Grenzen zwischen Ernst, Spielerei und Absurdität aus. Und verharrt in Andeutungen und Assoziationen. Der Krieg und die Waffen stehen als Objekte im Fokus: Was machen die Dinge mit uns, mit den Männern? Vielleicht sollte auch gefragt werden: Was macht es mit uns, den Menschen? Die Fetischisierung der Waffen geht über in eine Fetischisierung des Männlichen.
Die Ausstellung verbleibt in der Reproduktion; das Spiel mit dem Krieg bringt eine oberflächliche Auseinandersetzung, aber keine tiefe Reflexion. TTschhhrrkrrrkrrr - kleine Jungs rennen schreiend, mit Plastik-Kalaschnikows bewaffnet, durch das Bethanien und schießen sich ab. Durch die Wiederholung des absurd hohen Anteils, den der Krieg und Waffen im Alltag einnehmen, und das Aufzeigen der Banalität des verspielten Waffennarren entsteht nichts Neues. Eher werden Männerstereotypien verstärkt, ohne sie eindeutig kritisch entlarvt zu haben. Frauenbilder und Künstlerinnen aus der Ausstellung auszuschließen, hat eventuell auch die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels verspielt.
Kunstraum Kreuzberg/Bethanien Mariannenplatz 2, Berlin-Kreuzberg; bis 26. April; www.kunstraumkreuzberg.de
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