Stiller Widerstand auch im Ganzkörperschleier
In New York endete das Treffen der UNO-Frauenrechtskommission / Regierungsversprechen von Pekinger Konferenz 1995 nicht eingelöst
Die Dimension war gewaltig: Das Programm beim Treffen der UNO-Frauenrechtskommission in New York umfasste mehr als 100 offizielle und rund 350 Nebenveranstaltungen. Es war ein Großereignis - entsprechend der umfangreichen Aufgabe: 20 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking galt es Bilanz zu ziehen.
Dabei konnten sich Nichtregierungsorganisationen jenseits des UN-Gremiendickichts Gehör verschaffen und Vorschläge einbringen, wie die Lage von Frauen und Mädchen in einzelnen Ländern verbessert werden kann. Denn die Umsetzung der 1995 angenommenen »Erklärung von Peking« blieb - wie von einigen schon damals befürchtet - aus. So hatte es geheißen, die »beständige und zunehmende Belastung der Frau durch Armut« solle beseitigt werden.
Dennoch ist die Pekinger Erklärung eines der wichtigsten internationalen gleichstellungspolitischen Dokumente: Sie enthält konkrete Maßnahmen und Aufgaben zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in zwölf Bereichen, die von 189 Staaten einstimmig angenommen wurden. Die Unterzeichner, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, verpflichteten sich zur Umsetzung. Überprüft wurden sie in den Jahren 2000, 2005 und 2010.
»Deutschland wird sehr genau beobachtet. Wir müssen die Umsetzung der Geschlechtergleichstellung hierzulande daher nicht nur aus eigenem Interesse voranbringen, sondern um den Prozess international voranzutreiben«, sagt Cornelia Möhring. Die frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag nahm als Delegationsleiterin des Familienausschusses an der Konferenz teil. Möhring verwies auf die Signalwirkung der Frauenquote in Deutschland, auch wenn diese nicht weitreichend genug sei. Vor allem aber müsse der Gewaltschutz von Frauen und Kindern sowie sexuelle und reproduktive Rechte wirksam umgesetzt werden.
20 Jahre nach Peking sei die Bilanz »ernüchternd«, stellte die Rosa-Luxemburg-Stiftung fest. Weshalb Linke und Feministinnen trotzdem und umso mehr an dem Forum teilnehmen sollten, begründete die New Yorker Stiftungs-Co-Leiterin Stefanie Ehmsen: »Die UNO ist die einzige internationale Organisation der Staatengemeinschaft, die wir haben.« Bei aller Kritik an der Organisation - Intransparenz, Männerdominanz und zunehmende Konzernabhängigkeit - bleibe »ohne die UNO nur noch das Recht des Stärkeren«, so Ehmsen. Die Linke dürfe diese Institution »nicht kampflos aufgeben«. Dort müsse für mehr Druck auf die Verursacher sozialer Ungleichheit, des Klimawandels und militärischer Konflikte gesorgt werden. Es gebe dafür auch zahlreiche Anknüpfungspunkte, denn »hier bietet sich die einzigartige Chance zur Vernetzung feministischer Arbeit auf internationaler Ebene und zur Stärkung von Akteurinnen aus dem globalen Süden«, sagte Ehmsen.
Auf Einladung der Stiftung nahm etwa die Bolivianerin Elsa Vega Sillo teil. Sie ist die Beauftragte ihrer Regierung für »Entpatriarchalisierung«. Sillo erläuterte, wie sie trotz Widerstands in ihrer eigenen Regierung auf staatliche Entscheidungsprozesse Einfluss nimmt, etwa durch »indigene Techniken«. Eine bestehe in der Rückbesinnung auf traditionelle Medizin aus Pflanzen. Damit soll die Abhängigkeit von importierten Arzneimitteln, die von Großkonzernen hergestellt werden, vermindert werden.
Eine der ältesten internationalistisch orientierten US-Frauenorganisationen »Madre« lud die junge Syrerin Oula Ramadan von der kleinen Organisation »Bedael« nach New York ein. Sie erläuterte, wie Frauen oft unter lebensgefährlichen Bedingungen Widerstandsarbeit leisten. Im »Kalifat« des Islamischen Staates nutzten Frauen die Anonymität des verordneten Ganzkörperschleiers und die Geringschätzung, mit der sie von den Herrschern behandelt werden. Der islamistischen Indoktrination von Kindern wirken sie mit säkularer Erziehung zu Hause entgegen. Auch im Bereich der Krankenversorgung existierten Widerstandspotenziale, um das Regime von innen zu bekämpfen.
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