Schnelle Suche nach Seriosität

Die Hamburger wollen verlässliche Olympiakosten sehen, für deren Lieferung lässt sich der Senat kaum Zeit

Bevor es die Spiele gibt, wollen die Hamburger verlässliche Zahlen sehen. Hamburgs Senat verspricht, schon im Sommer einen Kostenplan für die Olympischen Spiele vorzulegen. Der Zeitplan ist eng gestrickt.

Kurz nachdem DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Montagabend den Sieg Hamburgs im nationalen Olympiaausscheid verkündet hatte, bemühten sich die Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbunds und der Hansestadt bereits, mit Hilfe der Symbolik eines Langstreckenlaufs die Hamburger auf ein Geduld forderndes Bewerbungsrennen einzustellen. »Der Marathon beginnt jetzt. Es ist noch lange nicht der Zieleinlauf, es ist der Startschuss«, beurteilte Hamburgs Sportsenator Michael Neumann (SPD) den Erfolg im ersten Wettstreit gegen Berlin.

Was dieser Symbolik jedoch zuwiderläuft, ist die Renneinteilung der Olympiamacher. Versucht ein Marathonläufer zunächst gemächlich loszulaufen, um später nicht einzubrechen, hat sich Hamburgs Senat zu einem Sprint auf den ersten Kilometern entschlossen, schließlich sollen die Bürger bereits im Herbst über die Bewerbung per Referendum abstimmen. Und bis dahin sollen möglichst alle relevanten Kosten für die Sommerspiele 2024 auf dem Tisch liegen.

Die Politiker kündigten die Veröffentlichung eines Finanzreports sogar schon für den Sommer an. Darin wollen sie »detailliert darlegen, was wir über die Kosten wissen«, so Christoph Krupp, Staatsrat der Senatskanzlei. »Die Hamburger Kaufleute können besser mit Geld umgehen, als es die Elbphilharmonie vermuten lässt«, fügte Neumann hinzu und kündigte Kostentransparenz an. Dafür würden nun Gutachten und Kostenschätzungen in Auftrag gegeben.

Uta Köhne von der Projektgruppe »Olympia für Hamburg« in der Behörde für Inneres und Sport sagt: »Wir werden alle Kostenposten zusammentragen, und möglichst an alle ein Preisschild hängen.« Bei einigen werde das von Gutachtern gemacht, bei anderen will die Stadtverwaltung selbst recherchieren. »Wir wollen verlässliche und seriöse Zahlen vorlegen«, lautet das Mantra.

Doch ist dies bis zum selbstgesteckten Ziel im Sommer möglich? Schließlich sollen Stadien, Sporthallen, Brücken und Wohngebiete gebaut, Personal- und Verkehrskonzepte entwickelt sowie Bewerbungsunterlagen erstellt werden.

Immerhin drei Ausschreibungen laufen bereits. Sie waren noch vor der DOSB-Entscheidung verbreitet worden, und darin geht es um große Kostentreiber: ein Masterplan für die Olympic City, ein Verkehrskonzept und das Bid Book suchen Auftragnehmer. Letzteres muss dem Internationalen Olympischen Komitee vorgelegt werden und alle Bewerbungsunterlagen enthalten. Das Mobilitätskonzept stellt dar, wie sich die Olympiabesucher durch die Stadt und zu den Sportstätten bewegen sollen. Allein für die Entwicklung dieses Konzepts hat die Finanzbehörde der Stadt einen Wert zwischen 300 000 und 500 000 Euro geschätzt.

Zunächst werden derzeit geeignete Bieter gesucht, »die ihre Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit darlegen«, so die Behörde. Konkrete Gebote mit Konzept und Preis werden erst im zweiten Verfahrensschritt von ausgewählten Bietern eingeholt. Beim Bid Book sieht das ähnlich aus. »Zur Anzahl der Gebote und zur Eingrenzung der Auftragswerte bzw. des Kostenrahmens lassen sich« noch keine genauen Angaben machen, weil »noch gar keine Gebote vorliegen«.

Der größte Kostenpunkt wird ohnehin die Olympic City auf dem Kleinen Grasbrook. Auf dieser an die Stadtinfrastruktur noch anzuschließende Elbhalbinsel sollen das Olympiastadion und zwei große Hallen gebaut werden, dazu das Olympische Dorf und ein Park. Das Stadion muss zunächst 70 000 Zuschauer fassen, später aber auf 20 000 zurückgebaut werden können. Die Olympiahalle wird nach den Spielen zum Schiffsterminal. Diese Nachnutzungsversprechen der Hamburger sind in der Ausschreibung übrigens nicht aufgeführt. »Beim Rückbau des Stadions bleibt es auf jeden Fall und beim Terminal auch, denn das brauchen wir in Hamburg«, verspricht Uta Köhne trotzdem gegenüber »nd«.

»Ein Masterplaner liefert keine kompletten architektonischen Entwürfe. Der Masterplan enthält ein Grundkonzept für die Erschließung des Areals und ein Konzept für den Standort«, erläutert Henrike Thomsen die Ausschreibung. Laut der Sprecherin der federführenden HafenCity GmbH würden die Kosten trotzdem gleichzeitig mit dem Planungsprozess bestimmt und kontrolliert. Hier fließen Erfahrungen etwa beim Erschließen der HafenCity ein. »Insofern sollten für den Bau der Olympic City und der Sportanlagen relativ schnell verlässliche Zahlen vorliegen«, so Thomsen.

Die Ausschreibung für diesen Masterplan läuft schon länger, die erste Phase ist abgeschlossen, doch die HafenCity GmbH, zu 100 Prozent im Eigentum der Hansestadt, will noch nicht preisgeben, wie viele Anbieter sich bei ihr gemeldet haben. Aus mindestens drei will sie auswählen, doch die Hürden sind hoch. Die Stadtplaner müssen nachweisen, schon ein Stadion für mindestens 50 000 Zuschauer sowie ein Wohngebiet in Wasserlage gebaut zu haben. »Die Anforderungen müssen hoch sein, damit vor dem begrenzten Zeithorizont hoch professionell gearbeitet werden kann«, sagt Thomsen. Die Stadt sucht erfahrene Anbieter, um Kostenexplosionen und Bauverzögerungen wie im Fall der Elbphilharmonie unbedingt zu vermeiden. »Wir sind sicher«, so Thomsen auf die Frage, ob genügend Bewerber zusammenkommen.

Für den Auftrag kommen nur große Büros wie »Gerkan, Marg und Partner« in Betracht, die bereits die nationale Bewerbungsphase der Stadt begleiteten. »Solche Global Player haben das schon gemacht. Sie können auf Zahlen von alten Projekten zurückgreifen und müssen nun vielleicht nur die Lohnkosten anpassen«, sagt Stephan Amtsberg, Referent des Fachbereichs Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung an der Uni Kassel. Ein realistischer Kostenplan sei also möglich, Preissteigerungen etwa beim Baumaterial aber auch.

Europaweit ausgeschriebene Vergabeverfahren dauern bei derlei Großprojekten im Normalfall mehr als ein Jahr. In Hamburg soll aber schon im Herbst klar sein, worüber die Bürger abstimmen. So bleibt am Ende doch die Befürchtung, dass Verlässlichkeit und Seriosität zu kurz kommen, vor allem wenn schon im Sommer die Preisschilder hängen sollen.

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