Hip Hip Hurra
Eigentlich ist es ja gut, dass mal nicht nur routiniert in, sondern auch hitzig über Talkshows geredet wird. Gewiss, Günther Jauch hätte sich gefreut, wenn sein Ruf dank manipulierter Mittelfinger griechischer Finanzminister nicht abermals implodiert wäre. Und dass Jauchs junger, kluger, kreativer, also besserer, nur leider im Nachtprogramm versteckter Kollege Jan Böhmermann das Ganze dann auch noch veralbert, macht die Peinlichkeit auch nicht erträglicher. Aber immerhin bleibt man mit so billigen Tricks im Gespräch.
Da blieb das ZDF vorige Woche leider nur mit dieser «sensationellen» Meldung: Carmen Nebel bleibt dem Sender erhalten. Hip Hip Hurra! Bis 2017 wurde der Vertrag für ihre bierselig schunkelnden Willkommensshows im ZDF verlängert. Die Zukunft riecht also auch im Zweiten verteufelt nach Fünfziger Jahre - während die von RTL 2 immerhin aussieht wie zur Jahrtausendwende, als der Ballermannkanal mit den «Popstars» auf sich aufmerksam machte, die nun zurück auf den Bildschirm kehren.
Wobei auch hier wieder dufte Synergieeffekte locken - richtet das gemeine Casting-TV im Grunde doch längst die Besetzungen künftiger Volksschlagersausen der Marke Nebel zu, das all den Nachfolgern der No Angels früher oder später ein Teilzeitasyl auf der Flucht vor anhaltender Erfolglosigkeit bietet.
Ein wenig prinzipientreuer ist da die unverstellte Bergidylle vom «Musikantenstadl», auch wenn es seit Neuestem ungewohnte Misstöne gibt. Mit 54 ist Andy Borg zwar erst etwa halb so alt wie das Durchschnittspublikum solcher Formate im Ersten. Dennoch moderiert er die Sendung am Samstag zum vorletzten Mal, da auch dort auf Silbereisen-Niveau verjüngt wird. Ist schon seltsam, diese Populärmusikbranche. Feiert sie doch tags zuvor auf gleichem Kanal live einen Musikpreis namens «Echo», der sich einzig an Verkaufszahlen bemisst, was ungefähr so zeigenswert ist, als würde Deutschland seine längsten Autobahnauffahrten als die besten küren. Moderiert dann natürlich ebenfalls vom kreischenden Doppel-D-Dekolleté Barbara Schöneberger. Für so einen Mumpitz hält die ARD übrigens drei volle Stunden Primetime bereit. Für den bedeutsamen Grimme-Preis dagegen bleibt Freitag leider nur 3sat, wo die Verleihung um 22.35 Uhr als Zusammenfassung läuft.
Tja, das Öffentlich-Rechtliche und die Sendeplätze … Während für ein banales Fußballländerspiel gegen Australien jede Sendestruktur perforiert, um pünktlich nach der «Tagesschau» im ZDF zu starten, zeigt die ARD das allerletzte Interview mit Helmut Kohl Dienstag und Mittwoch je zwanzig Minuten nach Mitternacht (die vollen sechs Stunden gibt’s auf www.tagesschau.de).
Man könnte glatt den Glauben verlieren an seriöses Fernsehen. Dafür zeigt 3sat die ganze Woche, dass es Dinge gibt, an die zu glauben sich lohnt. Mit Filmen, Dokus, Reportagen, Magazinen und Thorsten Epperts tollem Glossar «Glaube A - Z» (Montag, 20.15 Uhr) fragt der Sender aufrichtig: Woran glaubst du?« Und kriegt bis Samstag jeden Abend kluge Antworten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.